Die Kolomannswunder

Zu den Zeiten Kaiser Heinrichs des Heiligen wanderte der irische Prinz Kolomann auf einer Pilgerreise durch Oesterreich. Das Land litt damals schwer unter den Einfällen der Böhmen und Magyaren und die ängstlichen Leute nahmen den Fremdling bei Stockerau als vermeintlichen Späher gefangen. Da von ihm als des Deutschen Unkundigen nichts herauszubekommen war, als das; er ins heilige Land ziehen wolle, was man ihm aber nicht glaubte, wurde er zu Tode gefoltert und auf einen verdorrten Hollunderbaum gehängt. Weil dieser aber darauf hin zu blühen begann und der Leichnam unversehrt blieb, ja sogar oft zu bluten begann und Wunderheilungen bewirkte, wurde er feierlich bestattet. An seinem Grabe in einer kleinen Kapelle erwiesen sich ebenfalls viele Wunder. Um dem Heiligen aber eine würdige Ruheställe zu schaffen, ließ Markgraf Heinrich seinen Leichnam im Jahre 1014 feierlichst nach dem Kloster Melk bringen.

König Stefan der Heilige von Ungarn wollte aber die durch die vielen Wunder berühmt gewordene St. Kolomannsleiche unbedingt in seinem Lande haben. Als dessen Abgesandter geradezu mit Krieg drohte, willigte der Markgraf in die Uebertragung. In Ungarn wurde der Heilige mit ungemeiner Freude empfangen. Aber statt des erhofften Glücks und Segens kamen Seuchen, Hunger und andere Uebel, sodaß Stefan erkannte, das; jene Uebertragung doch Unrecht gewesen sei. Er ließ daher die heilige Leiche im Jahre 1016 nach Melk zurückbringen.

Hier ereigneten sich an deren Grabe alsbald wieder Wunder, insbesondere Krankenheilungen.

Quelle: Sagen der Wachau, Hans Plöckinger, Krems a. D. 1926, Nr. 8, S. 14f