Die versunkene Stadt

Etwa eine halbe Stunde südlich von Maria Laach, an der Stelle des heutigen Dorfes Zintring, soll einst eine schöne Stadt gestanden sein. Ihre Bewohner wurden aber sehr gottlos, darum hat der Pfarrer eine Hacke genommen, auf die Türschwelle geschlagen und voll Verzweiflung gerufen: "Die Stadt soll versinken!" In diesem Augenblicke begann sie unterzugehen. Ueber Nacht war der größte Teil verschwunden. Auch ihr Tandelmarkt ging unter, der am Hart gelegen war, wo jetzt noch ein felsiger Platz also heißt. Nur eine rätselhafte Inschrifttafel, die auf jene Stadt zurückgeführt wird, zeigte man noch lange und die alten Leute meinten auch, daß man beim Mähen auf einer Zintringer Wiese noch öfter an die Kirchturmspitze anschlage.

Wie sich die Lauerlinssleute jetzt noch erzählen, sah auf diesem Grundstücke einst ein Hirtenknabe ein Stöckchen in der Erde stecken, das er bisher nicht bemerkt hatte. Er versuchte es herauszuziehen. Da es ihm aber nicht gelang, rief der Knabe einen anderen zu Hilfe. Auch die vereinte Mühe war vergebens. Die beiden bemerkten schließlich, daß der Stock ein unter der Erde befestigtes Kreuz sei. Sie gruben ein Loch, brachten aber trotzdem das Kreuz nicht heraus. Als nun der eine Knabe am nächsten Tage wieder zu der Stelle kam, fand er das Loch so groß, daß er hineinkriechen konnte, und kam zu seinem größten Staunen auf das Dach einer Kirche. Er stieg weiter hinab und betrat sie. Da sah er einen großen Hund am Altare stehen und die Messe lesen, der auch nur Hunde beiwohnten. Entsetzt floh der Knabe wieder auf das Dach und gelangte durch das Loch auf die Wiese zurück.

Mit einem Stocke bezeichnete er die unheimliche Stelle und eilte nach Zintring, um dort sein Erlebnis zu berichten. Man ging sofort mit ihm auf die Wiese, doch waren sowohl das Loch wie der Stock verschwunden. Der Platz aber, wo sich das zugetragen hatte, heißt bis heute "die verwunschene Wiese".

Eine Sage weiß ferner zu berichten, daß an der Stelle Zintrings einst ein Mönchskloster bestanden habe, in welchem aber die Geistlichen sehr gottlos und faul waren. Nur der Klostervorsteher kam noch seine Pflichten getreu nach. Da er dem schlechten Treiben seiner Mitbrüder nicht mehr Einhalt gebieten konnte, verließ er das Kloster im heiligen Zorne und tat den Fluch, daß es bald vernichtet werden möchte. Sogleich kam ein furchtbares Gewitter. Unter schauerlichem Donnern und Blitzen tat sich die Erde auf und das berüchtigte Kloster verschwand mit Mann und Maus. Bloß die Reste einiger Mauern sollen stehen geblieben sein.


Quelle: Sagen der Wachau, Hans Plöckinger, Krems a. D. 1926, Nr. 21, S. 29f