St. Albin und die Teufelsmauer.
In der Kirche von St. Johann genoß der heilige Albinus, ein großer Wundertäter vor dem Herrn, durch Jahrhunderte ganz besondere Verehrung. Seine Statue, nunmehr in einer vergitterten Nische, stand ehedem inmitten der Kirche, davor im ungepflasterten Boden eine Vertiefung und ein Schäufelein, mit dem die Leute Erde herausfaßten, sonderbarlich heilsam gegen Fraisen und Halsschmerzen der Kinder.
Das Bildnis hatte die wunderbare Eigenschaft, daß selbes, wer heimliche Übeltat begangen hatte, nicht vom Platze zu heben vermochte. Daher ließen sich's Leute, die fälschlich eines Vergehens beschuldigt wurden, in der Sicherheit ihres guten Gewissens nicht nehmen, die Statue zu heben und so ihre Unschuld vor allem Volke darzutun; schlimme Gesellen aber drückten sich nach Möglichkeit oder verrieten sich, wenn der Heilige trotz aller Kraftanstrengung nicht von der Stelle wich.
Wie gerne der Heilige in dem schlichten Kirchlein weilte, das sollten einst mutwillige Schiffsknechte zu ihrer eigenen Betrübnis erfahren. Sie schleppten Spasses und Spottes halber das Bildnis auf ihr Schiff und entführten es nach St. Nikola, wo sie vor der Einfahrt in den gefürchteten Struden nächtigten. Und es waren die übermütigen Gesellen den langen Abend hindurch als solche, die des Beutels nicht zu schonen brauchten, dem Trunke mächtig zusprechend, die Dirnen neckend und des wider Willen reisenden Heiligen spottend, gar guter Dinge, so daß sie erst gen Mitternacht wankenden Schrittes, vergnüglich singend, ihr Strohlager unter des Trauners Holzdach aufsuchten.
Wer aber beschreibt ihren Schreck, als das Bild am kommenden Morgen spurlos verschwunden war!
Teufelsmauer, Wachau
© Ewald Mario Bauer 2006
Bald darauf mußten sie wiederum von Wien stromaufwärts fahren, konnten aber an der Kirche von St. Johann, obschon sie ihre Pferde mit ausgiebigen Flüchen und Peitschenhieben zur äußersten Leistung zwangen, nicht vorüber, auch dann nicht, als sie frische Pferde mit unverbrauchter Kraft vorspannten. Da begaben sie sich auf Anraten des Pfarrers zu frommem Gebete in das Kirchlein, und siehe, der Heilige, den sie zuvor entführt hatten und der in St. Nikola wunderbarer Weise verschwunden war, stand ruhig an seinem alten Platze. Von Reue ergriffen, opferten sie die Hufeisen ihrer Zugtiere und 'konnten nun die Fahrt unbehindert fortsetzen.
Solche und ähnliche Wunder verschafften dem Heiligen aus dem ganzen Donautale und weit aus dem Waldlande und vom fernen Alpenrande ungeheuern Zulauf, einzelne Waller und große Prozessionen bewegten sich stromauf und -ab nach St. Johann, Leidende fanden Trost und Hilfe, die Guten faßten neue Vorsätze zu einem gottseligen Leben und es mangelte nicht an auffallenden Bekehrungen.
Das war nun dem Höllenfürsten wohl mehr als ein Dorn im Auge und er beschloß, der leidigen Sache ein Ende mit Schrecken zu bereiten. Eine Mauer wollte er bauen vom Grate des Schloßberges unter dem Dörflein Schwallenbach und durch die Donau bis zur Roten Wand unter St. Johann; dann mußten alle die Frömmler samt ihrem Schutzherrn elendiglich ertrinken und die verhaßte Beterei hörte auf, seine Ohren zu quälen. Doch ... der Teufel denkt und Gott, der das Werk der Vernichtung, so es bis zum Hahnenschrei vollendet sein würde, scheinbar gestattete, lenkt alles auf seine Wege.
Ei, das war eine Nacht der emsigsten Arbeit! Der Teufel und seine Genossen rissen mit kralligen Fingern ganze Felsblöcke los, türmten unermüdlich die Riesenmauer und schon begannen sie, die Donau selbst zu schwellen, schon hoben sich die Tod und Verderben bringenden Gewässer, da schrie der Hahn und der Böse mußte von seinem Beginnen ablassen. Wütend schoß er dem eklen Tiere einen gefiederten Pfeil in den Hinterleib, wie am Turmhahn von St. Johann noch heute zu sehen ist. Etwelche behaupten, der blecherne Turmhahn selber habe gekräht, nicht etwa ein lebender Hühnersultan nach altem Gebrauche ... doch das lassen wir dahingestellt sein.
Die kärglichen Reste der Teufelsmauer, die sich wie ein Felsgrat
die Berglehne am linken Stromufer hinaufziehen, kann heute und allezeit
jeder deutlich ersehen. Die ungläubigen Eisenbahner freilich, die
scheren sich wenig um den Teufel und seine Werke, und so haben sie die
Wachauerbahn kecklich durch die unheimliche Mauer hindurchgeführt.
Quelle: Wachausagen,
Erzählt und allen Freunden der goldenen Wachau gewidmet von Josef
Wichner. Krems an der Donau. [1920]. S. 56 - 59.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Lisa
Lemberg, Jänner 2005.