Der streitbare Mönch.

Dort, wo sich heute der Prachtbau des Stiftes Melk auf hohem Fels in den Fluten der Donau spiegelt, stand, wie die Sage meldet, vor Zeiten die vom wilden Ungarkönig Gizzo erbaute Eisenburg. In ihren Gemarkungen soll ein Kloster gewesen sein, dessen Mönche von einem ihrer Mitbrüder viel zu leiden hatten. Ilsan hieß der nicht wenig gefürchtete Mönch. Der hatte in seinen jungen Jahren als kühner Recke gar manchen Strauß bestanden, war wie ein Sturmwind über halb Europa dahingebraust und gedachte nun, da der Schnee auf seinem narbenreichen Haupte nicht mehr schmelzen wollte, seine Sünden, woran es bei solch einem Welt- und Kriegsleben nicht mangelte, im Kloster abzubüßen. Allein Natur und lange Gewöhnung lassen sich nicht so leicht umkehren wie etwa der Balg einer Katze, und so hatte er sein Streitgewand und sein gutes Schwert mit in seine Zelle genommen und trug die Mönchskutte über der Rüstung, daß es gar unheimlich klirrte, wenn er wuchtig durch die widerhallenden Klostergänge schritt. Gar schwer empfanden die Brüder seine derbe Art und die zu Schlägen stets bereite Faust, entsetzten sich nicht wenig, daß er öfter den Teufel als den lieben Gott im Munde führte, und ihr täglich Gebet war: "Erlöse uns von den Übeln, insunderheit von dem schlimmen Bruder Ilsan, Amen!" Es war der Ilsan eben ein Häferl, das bald übergeht, und wenn er sich auch noch so oft vornahm, ein geduldiger Job zu sein, so kam der alte sündige Adam doch immer wieder zum Vorschein.

So war Ilsan seinen Brüdern verhaßt. Nur der fromme Abt nahm sich des allfort rückfälligen Büßers an; denn er hoffte, den wilden Wolf mit Zeit und christlicher Geduld sowie vielem Zuspruch und etlicher Poenitenz oder Strafe doch noch in ein zahmes, Gott gefälliges Schäflein verwandeln zu können.

Nun begab es sich, daß König Dietrichs, des Berners, beste Recken, von ihm selbst geführt, an der mittleren Donau zusammenkamen, um gen Worms am Rheine zu ziehen und sich mit König Gibichs Helden im Kampfspiele zu messen. König Gibichs Tochter, die schöne Kriemhilde, um deren Herz und Hand sich eben hürnen Siegfried bewarb, hatte nämlich an die Berner die Aufforderung zum Kampfspiele ergehen lassen und als Preis für jeden Sieger einen Kuß von ihrem holdseligen Munde und einen Kranz aus ihrem Rosengarten festgesetzt. Da wäre es wohl eine Schande gewesen, wenn die Berner gezögert hätten, sich den Burgunden zu stellen. Mit zwölf Wormser Helden mußte den Bedingungen gemäß gekämpft werden, die Berner aber brachten nur ihrer elfe zusammen.

Da erinnerte sich der alte Hildebrand, König Dietrichs treuester Vasall und väterlicher Lehrer im Waffenhandwerke, des Mönches Ilsan als seines Bruders und vermeinte, daß selber die helle Freude am Schwertschlag auch in der Kutte nicht gänzlich verachten möchte und daß die Kraft des Armes beim Psallieren nicht völlig geschwunden sei. Ließ ihn also vor die Pforte kommen, und es war ein leichtes, ihn zu dem Abenteuer zu bereden.

So zog denn der streitbare Mönch, nachdem er sich die Erlaubnis des Abtes erzwungen hatte, mit der riesigen Schar gen Worms, bereit, seinen "Predigerstab", wie er sein Schwert nannte, mit dem "Fidelbogen" des Ritters und Sängers Volker von Alzei zu kreuzen. In den nun folgenden Kämpfen blieben die Berner durchwegs Sieger, ja König Dietrich bestand sogar den Siegfried, nachdem er dessen Hornhaut mit aus seinem Munde sprühenden Feuerflammen erweicht hatte.

Ilsan, der den Fiedler vom Rosse geworfen hatte, begnügte sich jedoch nicht mit einem Kranze. Er hatte bei seinem Scheiden jedem seiner zweiundfünfzig Brüder ein wonnig Kränzlein versprochen, und so streckte er noch zweiundfünfzig Gegner in den Sand. Der Kriemhilde aber rieb er, als Mönch der Küsse wenig achtend, die zarten Wänglein so heftig, daß ihr rosenfarbenes Blut in die Blumen floß. So durch Schaden belehrt, unterließ es die Maid, je wieder Recken in ihren Rosengarten einzuladen.

Als Ilsan zum Entsetzen seiner Brüder ins Kloster Eisenburg zurückkehrte, drückte er jedem die dornigen Kränze mit rauher Hand auf die geschorene Platte, und als sie sich weigerten, seine Sünden zu büßen, band er, wie an einem alten Bilde zu ersehen, je zwei an den langen Barten zusammen und hängte sie über eine Stange.

Ob der streitbare Mönch späterhin doch ein. Lämmlein wurde, darüber schweigt die Geschichte.

Quelle: Wachausagen, Erzählt und allen Freunden der goldenen Wachau gewidmet von Josef Wichner. Krems an der Donau. [1920]. S. 13 - 16.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Lisa Lemberg, Jänner 2005.