Verborgene Schätze

Was kein Feind vermochte, das vermochte der Zahn der Zeit, und so ist Hartenstein zur Ruine geworden. In ihr hat es lange Jahre gespukt, und Bettelleute, die in dem Gemäuer nächtigen wollten, sind noch jedesmal durch unheimliche nächtliche Erscheinungen daraus vertrieben worden.

Ist eben eine schlimme Sache, so einer sich müde zum Schlafe hinstreckt und will auf etliche Stunden wenigstens im Traume glücklich sein, und nun kommt ein Rittergespenst dahergetrabt in klirrender Eisenrüstung und setzt sich einem auf die Brust und drückt mit seiner ganzen Schwere, daß man zu ersticken vermeint. Oder der nächtliche Unhold trägt seinen Kopf in der Hand, wirft ihn auf den Schläfer und der Kopf fliegt immer wieder zu neuem Wurfe in die Hand seines Herrn zurück. Da tut man wohl gut, man verläßt, sich besegnend, die ungastliche Stätte und warnt die Kameraden vor der unheimlichen Herberge.

Wo Geister spuken, da gibt es ohne Zweifel verborgene Schätze, und so liegen unter dem Schutte tief in der Erde gar wertvolle Dinge, Fäßchen voll schimmernder Dukaten, goldene Sessel und andere Herrlichkeiten, um die sich Schatzgräber in früheren Zeiten eifrig bemüht haben. Auch verwandeln sich Kohlen- und Eisenstücke, die man in der Karwoche auf Hartenstein findet, in Goldstücke, wenn man sie auf einen sauber gewaschenen Tisch legt. Nur muß das genau in der Zeit geschehen, da der Priester in der nächsten Pfarrkirche eben am Altare die Passion, des Herrn Leiden und Sterben, betet.

Leider weiß niemand vom Erfolge solchen Schatzgrabens zu berichten, und so haben die Leute gut getan, das vergebliche Wühlen einzustellen. Sie suchen nunmehr Schätze in eifriger Bearbeitung des eigenen Grundes und Bodens. In die Ruine Hartenstein aber ist eine Heilanstalt eingebaut worden ... zum Nutz und Frommen manch einer Menschenruine.

Quelle: Wachausagen, Erzählt und allen Freunden der goldenen Wachau gewidmet von Josef Wichner. Krems an der Donau. [1920]. S. 68 - 70.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Lisa Lemberg, Jänner 2005.