29. Die stolze Föhre bei Straßhof.

Bei Straßhof auf dem Marchfelde stand eine mächtige Föhre, die keinen Gipfel hatte, da ihre Äste nach auswärts strebten und oben eine Fläche bildeten, als wären sie mit einer Baumschere behandelt worden. Die stolze Föhre, wie der Baum im Volke hieß, starb im Jahre 1871 ab und musste gefällt werden. Allgemein hieß es, dass die Hexen schuld daran gewesen wären, dass der alte Baum diese merkwürdige Gestalt gehabt hat. Allnächtlich führten die Hexen ihren Reigen um den Baum auf.

Einst zog in der Geisterstunde ein Werkelmann an dem Baum vorbei. Er wurde von zwei Gestalten ergriffen und feldeinwärts in ein größeres Landhaus geführt. Da musste er zum nächtlichen Tanz aufspielen und bekam dafür Kuchen und Wein und ebenso schweres Geld. Unter den Tanzenden erblickte er manches bekannte Gesicht, und da wurde ihm ans Herz gelegt, sein Ergebnis nicht zu verraten, falls er sich nicht einer großen Gefahr aussetzen wolle. Als die Geisterstunde um war, nahm die Herrlichkeit ein Ende. Die Anwesenden verwandelten sich in schwarze Katzen und stoben nach allen Richtungen auseinander, während der Werkelmann sich zu seiner Überraschung in der Krone der stolzen Föhre befand. Da er von dem hohen Baume nicht herabsteigen konnte, musste er ausharren, bis am folgenden Morgen ihm vorübergehende Leute herunterhalfen. Zu seinem Verdrusse fand er statt der vermeinten Kuchen und des erhaltenen Geldes - Kuhfladen in seinen Taschen.

Anton Pfalz, Bauernlehr’ und Bauernweis’. Wien 1914, S. 136;

Quelle: Sagen, Schwänke und andere Volkserzählungen aus dem Bezirk Gänserndorf. Hans Hörler, Heinrich Bolek, Gesammelt von der Lehrerschaft des Bezirkes Gänserndorf 1951. Neuauflage 1967.
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