7. Der Landsknecht.

Ein Mitglied der Familie des Hauses Nr. 61 in Orth war bei den Landsknechten gewesen und kehrte als "Ausgedienter" nach vieljähriger Abwesenheit wieder heim. Von Wien ging er zu Fuß nach Orth und hielt in Mannsdorf die letzte Rast, wo er bis gegen Mitternacht verweilte. Die anwesenden Gäste wollten ihn von dem Weitermarsch abhalten und erzählten ihm, dass es beim "Ablass" (an der Grenze zwischen Mannsdorf und Orth), wo ein Galgen stand, nicht geheuer sei. Der Landsknecht aber zeigte keine Furcht, denn er hatte im Krieg ganz andere Sachen mitgemacht. Als er nun zum Galgen kam, schlug er aus Übermut mit dem Stock auf denselben und schrie: "Geh’ voraus, wenn du drinnen bist!" Da stand plötzlich eine große Gestalt vor ihm und eine hohe Wand tat sich vor ihm auf, so dass der Weg vor ihm abgesperrt war. Er wollte zurückgehen, aber auch dieser Weg war durch Mann und Wand verstellt. Da erinnerte er sich, dass er gehört, dass die Geister innerhalb eines Kreises, den man mit einem Stock um sich herum ziehe, keine Macht hätten. Indem er nun fortwährend dies tat, kam er, rückwärts schreitend, wieder bis Mannsdorf, wo im Gasthaus die Leute noch beisammensaßen. Als er hier die Kopfbedeckung abnahm, blieben alle seine Haare daran "picken". So ist er auch geblieben, die Haare sind ihm nicht mehr nachgewachsen. Nach 12 Uhr ist er wieder aufgebrochen und ohne Zwischenfall nach Orth gekommen. Lange Zeit lag er hier an einem "hitzigen Fieber" krank darnieder, bis er endlich als gebrochener Mann das Krankenlager verließ. Durch Almosen hat er sein Leben gefristet. Die Leute haben ihn, wie überhaupt alle ehemaligen Landsknechte, geehrt und haben dem Bettelnden gern Gaben gegeben.

Edgar Weyrich, Der politische Bezirk Floridsdorf-Umgebung. Wien-Leipzig-New York 1924; S. 118-119, Orth;

Quelle: Sagen, Schwänke und andere Volkserzählungen aus dem Bezirk Gänserndorf. Hans Hörler, Heinrich Bolek, Gesammelt von der Lehrerschaft des Bezirkes Gänserndorf 1951. Neuauflage 1967.
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