19. A Neix-Sunnta-Kind.

Auf dem Meierhof zu Ober-Siebenbrunn war einmal ein Kutscher. Der war am Neujahrsfest geboren, das auf einen Sonntag gefallen und an dem der Mond neu war; er war also ein "Neix-Sunnta-Kind".

Als er einmal mit einigen anderen Meierhofleuten durch den Schlosspark heimging, unterbrach er plötzlich das fröhliche Kameradengeplauder und blieb stehen. Von seinen Lippen kamen tropfenweise die Worte: "Secht’s nix? O mei, wias zuageht! D’ Leut raffant (raufen) und Bluat gibt gnua. Wann i nua neama lebm tat!" Die Kameraden sahen nichts. Es war ja Nacht und nur das Mondlicht brach verstohlen durch das dichtbelaubte Parkgehölz. Der andere aber sah wie verzückt immer in dieselbe Richtung und aus seinen Mienen und Handbewegungen erkannten sie, dass er tief bewegt sei. Sie aber lachten seiner "dummen Geschichten" wegen und legten leise pfeifend den Rest des Heimweges zurück.

Als wenige Wochen darnach die Kunde von dem März-Aufstand (1848) zu Wien auch zu ihnen heraus ins Marchfeld kam und auch hier eine neue Gedankenwelt die Köpfe erhitzte, da wichen sie dem Hellseher in weitem Bogen aus. Nun glaubten sie daran, dass "a Neix-Sunnta-Kind" in die Zukunft und Geisterwelt schauen könne.

Edgar Weyrich, Der politische Bezirk Floridsdorf-Umgebung. Wien-Leipzig-New York 1924, S. 109;

Quelle: Sagen, Schwänke und andere Volkserzählungen aus dem Bezirk Gänserndorf. Hans Hörler, Heinrich Bolek, Gesammelt von der Lehrerschaft des Bezirkes Gänserndorf 1951. Neuauflage 1967.
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