13. Die Not in Nöten.

's Stüberl ist klein, recht klein gewesen, das der g'flickte Dunerl ehedem bewohnt hat, aber, wenn er so drin’ g’sessen ist bei seinem braven Weiberl, da hat ihm immer ’s Herz im Leib musiziert und er ist sich so reich vorgekommen wie ein König. Doch wie es schon im Leben manchmal sein will, dass auch bei den armen Leuten, die ohnehin nicht viel haben, aber mit dem wenigen zufrieden sind, dass auch bei solchen die Not Herberge sucht, so ist es auch unserm armen Dunerl gegangen. 'S Hauserl ist ihm über'm Kopf niedergebrannt und beim Holzspalten ist ihm einmal das Beil in den Fuß gedrungen, und der musste ihm dann abgenommen werden. "Du mein Gott!" hat er da traurig zu seinem Weibe gesagt: "Was wird uns denn noch alles treffen!" Und wie sie so dastanden und ihr verkohltes Habe anschauten, während ihnen eine Träne um die andere zu Boden niederträufelte - da ist eine hässliche Alte aus dem Fenster gestiegen und hat gesagt: "Seid ruhig, Leutchen! Schaut, ich bin noch viel ärmer als Ihr! Wenn Ihr wegzieht von da, müsst Ihr mich mitnehmen in Euere neue Wohnung!" Der Dunerl aber, von dem ein jedes wusste, dass er nicht auf den Kopf gefallen war, sah ein, dass er diesen Gast nicht so mir nichts dir nichts vom Halse bekommen werde; er verbeugte sich also vor der Gestalt und auf sein fehlendes Bein deutend sagte er flehend: "Wenn sie schon mit uns gehen will, so helfe sie uns wenigstens die paar Scheite spalten, dass wir hiemit kochen können!" Die bleiche Frau erklärte sich hiezu bereit und der Dunerl spaltete den Klotz mit der Hacke von oben zur Hälfte und drängte nun anzupacken. Diese schob also voreilig ihre langen dürren Finger in die Spalte, der Dunerl zog aber die eingekeilte Hacke rasch zurück, und die Finger blieben darin so fest stecken, dass die Alte vor Schmerz schrie, was sie nur konnte. Das hörte ein wohlhabender Bauernsohn und der befreite dann die gequälte Frau. Der kluge Dunerl war indes mit seinem Weibe aus dem Dorfe gewandert und brachte es anderswo zu großem Reichtum, während der reiche Bauernsohn abwirtschaftete und bettelarm wurde. Die Ursache aber war die: Die hässliche Alte, welche er befreit hatte, war nämlich niemand anderer als die Not; diese quartierte sich von da an in seinem Hause ein und brachte ihn um Hab und Gut.

Hans Schukowitz, Mythen und Sagen aus dem Marchfelde. Zeitschrift für österreichische Volkskunde. Wien, III/1897, S. 163-164 (g'flickt = blatternnarbig);

Quelle: Sagen, Schwänke und andere Volkserzählungen aus dem Bezirk Gänserndorf. Hans Hörler, Heinrich Bolek, Gesammelt von der Lehrerschaft des Bezirkes Gänserndorf 1951. Neuauflage 1967.
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