28. Das Pesthemd.

In Stripfing fanden die Leute einmal ein schmutziges Hemd auf dem Friedhofzaun. Eingedenk alter Kunde verscharrten sie es sorgfältig in die Erde, knapp an einem Feldkreuzbalken, und von der Stunde an hörte die im Orte herrschende Kinderseuche auf. Wie es aber Nacht ward und die Dorfhunde Wacht hielten, schlich ein rabenschwarzer Geselle, mit einer blutroten Hahnenfeder auf dem Hute, durch die menschenleere Gasse; der suchte nach dem Hemde und weil er es nicht fand, stahl er eines dem Nachtwächter vom Leibe. Mit diesem eilte er zum Brunnen, wusch es, brannte seine glutheißen Krallen ein und rief:

Stripfing, du soll'st wissen,
Jetzt folgt arges Blutvergießen!

Am nächsten Morgen lagerte der Feind im Dörflein. Das gebrandmarkte Hemd aber hing auf des Nachtwächters Hellebarde.

Hans Schukowitz, Drei Teufelssagen aus dem Marchfelde. Der Niederösterreichische Landesfreund. Baden. V/1896, S. 76;

Quelle: Sagen, Schwänke und andere Volkserzählungen aus dem Bezirk Gänserndorf. Hans Hörler, Heinrich Bolek, Gesammelt von der Lehrerschaft des Bezirkes Gänserndorf 1951. Neuauflage 1967.
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