2. Der Wegweiser ins Jenseits.

An der Friedhofstraße außer Mannersdorf steht eine alte Säule mit einer rotbemalten Franziskus-Statue. Wer immer an ihr vorübergeht, lüftet ehrfurchtsvoll die Kopfbedeckung oder bekreuzigt sich, merkt er doch, dass der kleine Heilige droben mit seiner Rechten auf den nahen Gottesacker weist, als wollte er dem Wanderer sagen: Schau, dahin tragt man dich auch einmal! Der nun dieses Denkmal vor vielen Jahren zur frommen Erinnerung hat setzen lassen, ist gar ein religiöser Dörfler gewesen. Wie nämlich seinerzeit ein großer Krieg ausgebrochen ist und auch er bewaffnet gegen den Feind mitziehen musste, da hat ihm vor allem der Gedanke am Herzen genagt, dass er im Felde fallen könne und weitab von seinem gottseligen Weibe in fremder Erde begraben werden könne. Ehe er nun von seinem Heim schmerzlichen Abschied nehmen sollte, ist er noch einmal in mäuschenstiller Nacht zum Grabe seiner teuren Dahingeschiedenen hinausgeeilt und hat da zerknirscht und innig auf den Knien gebetet: "Mein liebes, gutes Weiberl! Du moderst schon lang’ drunten, aber meine Augen werden immer noch nass, wann ich an dich denk’. Gewiss schaust du jetzt a von den kristallhellen Sterndaln zu mir armen Erdenwurm nieder und weißt, was ich will: Dies Platzerl da neben dir und nichts weiter! Erbitt‘ mir nur das von unserem Herrgott, vor dem wir uns wiedersehen werden!" Dann ist er aufgestanden und es war ihm, als sagte eine innere Stimme zu ihm: "Sie hat's gehört! Zieh’ ruhig in die Schlacht!"

Und wirklich. - Trotz des Kugelregens, in dem der Mannersdorfer gestanden, ist ihm nichts geschehen, er ist wohlbehalten heimgekommen und hat sein Gelübde gelöst, das er am Grabe seiner Gattin versprochen. Und wie sie ihn einmal an einem schönen Herbsttage hochbetagt zur ewigen Ruhestätte neben seiner guten "Seligen" beisetzten, da haben sie ihn auch an der Franziskusschule, die er errichten lassen hat, vorbeigetragen. Dort hat der Zug ein wenig stille gestanden und der Priester hat eine rührende Ansprache an die Leidtragenden gehalten, welche er mit den Worten schloss: "Gelobt seist du und gepriesen, heiliger Franziskus, denn du hast in Wahrheit deinen Diener dorthin heimgeholt, wohin dein Finger zeigt."

Hans Schukowitz, Mythen und Sagen aus dem Marchfelde. Zeitschrift für österreichische Volkskunde. Wien, II/1896, S. 168.

Quelle: Sagen, Schwänke und andere Volkserzählungen aus dem Bezirk Gänserndorf. Hans Hörler, Heinrich Bolek, Gesammelt von der Lehrerschaft des Bezirkes Gänserndorf 1951. Neuauflage 1967.
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