DIE WUNDERBARE BROTVERMEHRUNG

Von der Pestsäule, die am Ortseingang bei Unterzögersdorf steht, wird folgende Begebenheit erzählt: An jener Stelle befand sich einst eine Pestgrube, wo all die Pesttoten des Ortes begraben wurden. Die Bevölkerung des ganzen Ortes war vom "Schwarzen Tod" dahingerafft worden, nur ein junges Mädchen blieb verschont. Völlig alleine irrte es in die benachbarten Orte, um dort wenigstens ein Stück Brot zu erbetteln. Aber alle hatten Angst, angesteckt zu werden, und so schlugen sie ihm schnell die Türe vor der Nase zu. Traurig wanderte das Mädchen nach Unterzögersdorf zurück und setzte sich in seine Kammer, wo es bitterlich weinte. Nachdem es eine Zeitlang dem Herrgott sein Herz ausgeschüttet hatte, schlief es ermattet ein.

Da vermeinte es im Traum eine Stimme zu hören, die ihm riet, doch noch einmal in die Vorratskammer zu schauen. Als das Mädchen aufgewacht war, folgte es der Weisung und ging in die Kammer. Tatsächlich fand es dort ein Stück Brot, das von den Ratten verschont geblieben war. Es bückte sich, hob es auf und stillte damit seinen Hunger. Doch, siehe da, als es satt war, blieb das Brot noch genau so groß wie vorher. So war das Mädchen nicht mehr auf die Gunst der anderen angewiesen und hatte Tag für Tag Essen. Erst als die Not der Pestzeit vorbei war und alle wieder zu essen hatten, hörte die wunderbare Brotvermehrung wieder auf.

Quelle: Das Weinviertel in seinen Sagen, Thomas Hofmann, Weitra 2000, S. 71