DIE FETTAUGEN AUF DER SUPPE

Als der Liebe Gott auf Wanderschaft war, kam er in Gestalt eines Wanderers auch ins Marchfeld. Müde und hungrig von den langen Märschen klopfte er an das Haus eines reichen Bauern. Der aber gab ihm nicht einmal ein Stück Brot, wies ihm die Tür und jagte ihn weg. Betrübt ging der Liebe Gott weiter und klopfte an das Haus eines armen Bauern. "Komm herein und setzt dich zu uns. Wir haben zwar nicht viel, nur eine magere Knochensuppe und ein Stück Brot, aber du bist gerne unser Gast!", sprach der freundliche Bauer. Der Liebe Gott setzte sich zu Tisch und aß einen Teller Suppe, in dem hunderte kleine Fettaugen schwammen.

Als er satt war, bedankte er sich und gab dem Bauer beim Verabschieden einen schweren Beutel mit folgenden Worten: "Nimm diesen Beutel als Dank für deine Gastfreundschaft. Da sind so viele Goldtaler drin, als auf meiner Suppe Fettaugen waren." Als der reiche Bauer diese Geschichte erfuhr, ärgerte er sich sehr und sann nach, wie er ebenfalls auf einfache Weise zu viel Geld kommen könnte.

Nach einiger Zeit kam der Liebe Gott ein zweites Mal in die Gegend. Diesmal bat ihn der reiche Bauer zu Tisch. Er bewirtete ihn mit einem Teller Suppe, in den er zuerst einen großen Löffel Schmalz gegeben hatte. Als das Schmalz in der Hitze der Suppe zerrann, bedeckte ein einziges, großes Fettauge den ganzen Teller. Und so bekam der geizige Bauer auch nur einen einzigen Goldtaler als Geschenk vom Lieben Gott.

Quelle: Das Weinviertel in seinen Sagen, Thomas Hofmann, Weitra 2000, S. 236