DER RÄUBERHAUPTMANN GRASL

Der Grasl war zu seiner Zeit ein Schrecken für die Bevölkerung, er war überall und nirgends zu Hause. Landauf und landab fürchtete sich jeder vor dem Räuberhauptmann Grasl, dessen Name in aller Munde war.

So trug es sich im dichten Kirchenwald bei Hollabrunn zu, dass eine arme Frau Pilze sammelte, um das karge Leben der Ihrigen ein wenig aufzubessern. Da trat plötzlich ein fremder Mann aus dem Dickicht heraus. Sie erschrak sehr, denn sie wusste ja nicht, wer vor ihr stand. "Fürchte dich nicht, ich bin der Räuberhauptmann Grasl. Ich tue dir nichts, denn du bist eine ehrliche Frau. Ich beraube nur die Reichen und verteile das Geld an die Armen", sprach der Fremde zu ihr. Die erschrockene Frau wusste nicht, wie ihr zu Mute war.

Da zog der Grasl ein paar Goldtaler aus seiner Tasche und gab sie ihr, ehe er wortlos wieder verschwand. Nachdem sie sich vom Schock der seltsamen Begegnung erholt hatte, sammelte sie weiter Pilze und stieß dabei auf ein Stück Papier. Als sie es aufhob, fand sie folgende Worte daraufgeschrieben: "Verrate nicht den Ort, wo ich mich aufhalte!"

Eilends ging die reich beschenkte Frau nach Hause und erzählte den Ihrigen von der seltsamen Begegnung, fügte aber hinzu, dass sie es für sich behalten sollten. Die Kinder konnten aber das Erzählte nicht bei sich behalten und plauderten die Worte der Mutter aus. Später wurde der Räuberhauptmann Grasl gesucht und gefunden. Schließlich wurde er in Wien zum Tode verurteilt.

Quelle: Das Weinviertel in seinen Sagen, Thomas Hofmann, Weitra 2000, S. 102