DIE GLOCKE VON WALTERSKIRCHEN

An jener Stelle unterhalb von Walterskirchen, die Nonnwald genannt wird, befand sich einst ein Nonnenkloster, das von fruchtbaren Feldern umgeben war. Zu dem Besitz der frommen Frauen gehörte auch ein Teich, dessen alte Dämme heute noch sichtbar sind. Zerstört und verwüstet wurde die Ansiedlung von den Schweden, die 1645 in das Land einfielen. Später soll es dann dort gespukt haben, so dass der Ort mit dem verwüsteten Kloster von den Einheimischen gemieden wurde.

Einmal hütete ein Hirte aus Walterskirchen in der Nähe der Klosterruinen Schweine. Da Schweine gewöhnlich im Boden wühlen, fand er auch nichts Besonderes daran, als eine Sau an einer Stelle ganz besonders heftig und lange mit dem Rüssel im Boden herumwühlte. Als er nun doch neugierig wurde und zu der Sau hinging, fand er ein Stück glänzendes Metall aus dem Boden ragen. Eilig grub er selber weiter und bald konnte er eine Glocke erkennen.

Als der Fund bekannt wurde, stritten die Walterskirchner und die Großkruter um die Glocke, denn beide Orte beanspruchten sie für sich. Die einen meinten, sie liege genau in der Mitte zwischen beiden Orten, die anderen hielten dagegen, sie sei genau an der Grenze gefunden worden. Kurz entschlossen spannten dann die Kruter zwei Pferde vor die Glocke, um sie aus dem Boden zu ziehen. Doch sie bewegte sich nicht von der Stelle. Später versuchten es die Walterskirchner mit nur einem Pferd; und sie hatten Erfolg.
So hängt die Glocke heute am Kirchturm von Walterskirchen und klingt ganz hell bis nach Großkrut.

Quelle: Das Weinviertel in seinen Sagen, Thomas Hofmann, Weitra 2000, S. 213