6. Von Ungeheuern, Drachen und wilden Tieren.
3. Die Krönlnatter.
33. Es gibt Schlangen, die eine ungeheuer wertvolle Krone auf dem Haupt tragen. Wenn eine Jungfrau nahe dem Schlupfwinkel ein weißes Tuch auflegt, kriecht die Schlange auf das Tuch, wenn sie sich sonnen will. Auf kurze Zeit geht sie dann ins Wasser und läßt die Krone zurück. Diese Zeit muß das Mädchen benützen, um mit Krone und Tuch heimzulaufen, sie muß eilig durch neun Türen, sonst wird sie von der Schlange erreicht und getötet. Bei der neunten Tür bleibt diese aber selbst tot liegen.
*34. Es heißt auch, daß man ein Linnentuch auf einen Platz, wo viele Nattern sind, geben soll. Dann legt die Natternkönigin ihre Krone darauf. Es muß aber von einem siebenjährigen Mädchen gesponnen und von einem siebenjährigen Knaben gewebt sein.
*35. In Bayern drüben lebte vor Zeiten ein mächtiger König, der eine einzige Tochter hatte. Als er einmal mit ihr spazieren ging, begegnete ihnen ein altes Weib, das eine kleine Natter liebkoste. "Wie abscheulich!" rief die Königstochter. Da wurde die Hexe böse und sagte: "Weil du das arme Tier gar so abscheulich findest, sollst du von dieser Stunde an auch ein solches werden!" Sie berührte das Mädchen mit einem Stab, daß es sogleich zu einer kleinen Natter wurde. Dann sprach sie: "Über das Wasser mußt du hinüber, über die Grenze eures Landes, damit dich dein Vater nicht hegen kann und du so alle Mühe und Plage eines so armen Tieres ausstehen mußt." Sie berührte die Natter und diese schoß pfeilschnell über den Inn und verschwand. Der König wollte sich auf die Hexe stürzen, sie hielt ihm aber den Zauberstab entgegen und bedrohte ihn mit gleichem Schicksal. Da verlegte er sich aufs Bitten und flehte solange und versprach ihr Reichtum und Ansehen, bis sie sich erweichen ließ. Sie sagte aber: "Ich habe nicht die Macht, die Verwünschung zurückzunehmen. Das einzige, was ich für deine Tochter tun kann, ist, daß ich sie zur Schlangenkönigin erhebe. Laß eine ganz kleine Krone aus purem Gold anfertigen und bringe sie nach 3 Tagen an diesen Platz. Ich werde sie holen und deiner Tochter bringen. Sie muß sie solange tragen, bis die Krone von der Wasserströmung völlig zerrieben ist. Dann ist deine Tochter erlöst." Der König tat es und brachte nach 3 Tagen die Krone aus reinstem Gold. Nun trägt sie seine Tochter als Schlangenkönigin. An warmen Tagen legt sie manchmal die Krone neben dem Wasser hin. Hat jemand zur rechten Zeit ein weißes Tuch hingelegt, so legt sie sie darauf und geht ins Wasser. Kommt der Glückliche mit der Krone über eine gewisse Grenze, ohne von der Schlange bemerkt zu werden, so ist die Schlange erlöst und ihm gehört die Krone, die ihm Glück und Segen bringt. Bemerkt ihn aber die Schlange, so ist sie gezwungen, einen Pfiff zu tun und alle Schlangen stürzen herbei, um die Krone der Königin zu retten.
*36. Vor vielen Jahren gingen Leute von St. Georgen bei Obernberg nach Geinberg zur Kirchweih und kamen an einem Teich vorbei. Einer hob ein glänzendes Stück vom Boden, das die Gestalt einer Krone hatte und rief die anderen, die schon voraus waren, zurück, die das Stück bewunderten. Ein alter Mann erkannte es und rief: "Es ist die Krone der Schlangenkönigin, die mehr wert ist als ein Königreich. Lauft, was ihr könnt und verliert sie nicht!" Alles ergriff die Flucht, denn sie wußten, vielleicht gelte es das Leben. Schon waren sie nahe der Grenze, da erfolgte ein eigentümlicher Pfiff, von allen Seiten erhoben sich Schlangen und fuhren zischend den Flüchtigen nach. Sie jagten an den Leuten vorbei, ohne sich um sie zu kümmern, nur dem nach, der die Krone trug und einen Vorsprung gewonnen hatte. Eben wollte er den letzten Sprung über einen kleinen Bach tun, als sich eine große dicke Schlange um seine Füße wand. Mit dem Messer wollte er sich befreien, es war aber zu spät, es hatten ihn schon mehrere Schlangen erreicht und ringelten sich um seinen Körper, so daß er niederfiel. Immer fester zogen sich die Schlangen zusammen und er glaubte sich schon verloren. Jetzt warf er die Krone von sich, daß sie vielleicht dann von ihm ließen. Kaum war die Krone am Boden, ließen die Schlangen von ihm ab und zogen sich zurück. Eine nahm die Krone und brachte sie der Königin. Die übrigen Leute hatten sich inzwischen beeilt, über die Grenze zu kommen und sahen ihrem Kameraden in seiner Not zu, ohne ihm helfen zu können. Einer hatte sich herübergewagt, ihn traf aber dasselbe Schicksal. Als beide erlöst waren, gingen alle weiter auf die Kirchweihe; dort machte der Vorfall großes Aufsehen. Mehrere Männer gingen mit Gewehren zum Teich, sahen aber nichts mehr.
37. Am Lichtenauer Teich bei Haslach hauste ein Natternkönig, der sich um Mittag zu baden pflegte und zuvor immer das Krönlein ablegte. Ein armer Mann, der mit seiner Familie bittere Not litt, hatte bemerkt, daß der Natternkönig die Krone an lichte Stellen lege. Er ritt auf einem Schimmel herbei und legte ein weißes Tuch auf. Um Mittag sah er nach, der Natternkönig war weit draußen im Teich, die Krone lag auf dem Tuch. Der Reiter ergriff das Krönlein, das langes Leben und Gesundheit bringt, und sprengte, was das Pferd konnte, zurück. Als er aber daheim vom Pferde stieg und sich in Sicherheit glaubte, da sprang der Natternkönig vom Schweif des Pferdes, wo er sich eingebissen hatte, hervor und durchbohrte dem Mann das Herz. Natternkönig und Krone sind seither verschwunden.
*38. Eine Inwohnerin fand beim Holzklauben an einem Teich eine Natternkrone. Sie trug sie eilig heim. Die Natter fuhr ihr durch drei Türen nach und blieb dann erschöpft liegen, so daß sie ein Mann tot schlagen konnte. Aber auch die Inwohnerin fand man bald darauf tot im Walde und das Krönlein war verschwunden.
*39. Einem Soldaten glückte es, daß ihm die Krönlnatter das Krönl auf ein Tuch legte. Mit dem Raub sprengte er davon, so schnell ihn sein Pferd tragen konnte. Doch bald hört er einen Pfiff hinter sich, eine Unzahl Nattern kamen hinter ihm her, trotz seiner Eile wurde der Abstand immer kleiner. Da warf er seine Patrontasche hinter sich. Über diese fielen die Nattern her, dadurch gewann er einen Vorsprung und rettete Krone und Leben.
*40. Ein Kind ging baden und sah eine Krönlnatter, es legte ein weißes Tuch auf den Boden, die Natter warf ihre Krone darauf, das Kind ging mit der Krone heim. Als die Schlange den Verlust bemerkte, schoß sie durch neun Türen nach, an der zehnten blieb sie tot liegen.
*41. Eine von allen Leuten gemiedene Bettlerin wohnte in einem einsamen Häuschen. Sie trug eine Schlange am bloßen Leib. Einmal wurde sie krank und lag schon 2 Tage ohne Hilfe. Da kam ein mitleidiges Schulmädchen, brachte Essen und wollte um den Bader gehen. "Vergelts Gott" sagte die Bettlerin und starb. Über ihrem Kopf aber streckte sich eine Krönlnatter hervor, verneigte sich und warf dem Kind das Krönl in die Schürze.
*42. Ein armes, frommes Mädchen kam nachts über eine einsame Donauleiten. Da hörte es Gesang, eine Steinplatte öffnete sich und eine Krönlnatter kam hervor und sagte, das Mädchen habe sie nach 400 Jahren erlöst. Sie legte dem Mädchen die Krone zu Füßen und verschwand. Das Mädchen behielt die Krone zeitlebens und hatte immer Glück.
Quelle: Oberösterreichisches
Sagenbuch, Hg von Dr. Albert Depiny, Linz 1932, S. 58 - 60
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Februar 2005.
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