DER SPIELSTEIN

Zu "Leisling", einer waldigen, etwas höher gelegenen Thalschlucht zwischen Goisern und Alt-Aussee, befindet sich mitten im Walde auf einer freien Stelle, über welche der Alpenweg nach Alt-Aussee zieht, ein Felsstück, der Spielstein genannt. Hier überfielen einst zwei Wildschützen eine schwangere Frau, banden und knebelten sie und wollten sie ermorden. Sie hofften nämlich durch den Genuß des Herzens schuß-, stich- und hiebfest zu werden. Doch waren beide noch nicht bis zu dem Grad entmenscht, daß nicht jeder eine Scheu gefühlt hätte, dem armen Weibe das Messer in die Brust zu stoßen. Da sollten die Karten oder das Spiel entscheiden, durch wessen Hand die Unglückliche sterben werde. Sie huben zu spielen an; doch plötzlich krachte ein Schuß, und einer der Männer wälzte sich, tödtlich getroffen, in seinem Blute; der andere ergriff die Flucht. Ein Jäger trat herzu und befreite die Gebundene; er war es auch, der den Schuß gethan hatte.


Quelle: Oberösterreichische Volkssagen. Gesammelt von Kajetan Alois Gloning. Ried 1884. S. 93