Büdl ån da Wånd...

Dass der Tod eines Menschen oft schon im vorhinein durch besondere Vorzeichen angekündigt wird ist wohl ein Aberglaube, der niemals ganz auszurotten ist. Oft scheint es aber in der Tat wirklich so, dass es der Zufall will, dass man das glauben könnte: Einer Enzenkirchner Schülerin passierte es, dass sie in der Nacht plötzlich von einem unbekannten Geräusch aufgeschreckt wurde und ihr der Atem stockte. In einem einzigen Moment fielen sämtliche von ihr mühevoll aufgeklebten Poster und aufgehängten Bilder von der Wand und Stille kehrte wieder ein. Obwohl sie müde war konnte sie die ganze lange Nacht hindurch kein Auge mehr zu tun. Anfangs lag sie ausgestreckt in ihrem Bett, drehte sich von einer Seite auf die andere, sowie auf den Rücken als wie auf den Bauch – jedoch nichts half, es sollte ihr kein Schlaf mehr geschenkt werden. Frische Luft, vielleicht lag es daran, dass das ganze Zimmer von dieser stickigen Luft erfüllt war. Also erhob sie sich und ging zu ihrem Zimmerfenster und öffnete es – dabei fiel ihr etwas in Nachbars Garten auf. Kniete doch dort ihr alter Nachbar über seinem Hund und streichelte und verhätschelte ihn die ganze Zeit, während der Hund Geräusche von sich gab, als würde er um etwas betteln oder dergleichen. Eigenartig dachte sie sich, blickte auf die Uhr, und erneut – eigenartig. Saß doch da ihr Nachbar, um drei Uhr am Morgen, im Garten und streichelte seinen Hund. Vielleicht könne er ja genauso wenig schlafen wie sie – daran könne nur der Vollmond verantwortlich sein. Als sie sich schon umdrehen und in ihr Bett zurückkehren wollte, erhob sich plötzlich auch der Nachbar, drehte sich zu ihrem Fenster und starrte in Richtung ihres Zimmers, als könne er sie sehen – was natürlich unmöglich war. Darauf drehte er sich um und ging langsam den alten Weg von Jagern nach Weeg weiter, wo er in der Dunkelheit verschwand. Noch immer munter und kein bisschen müde begann das Mädchen damit ihre Posters wieder an die Wand zu heften, sowie ihre Bilder aufzuhängen. So gegen sechs Uhr am Morgen war sie fertig, also zu jenem Zeitpunkt, an dem sie ohnehin aufstehen musste, weil die Schule auf sie wartete, wo sie auch den ganzen Tag zubrachte, erst am Abend, als sie heimkam, erfuhr sie, dass in der vorhergehenden Nacht, so gegen drei Uhr morgens ihr Nachbar verstorben war.

Quelle: Sylvia Weberschläger 1990.
Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 1.