G´schreckt am Freidhof...

Jedermanns Sache ist es ja nicht, die Arbeit eines Totengräbers – auch wenn diese Tätigkeit in den letzten Jahren, dank der Technik, etwas erleichtert wurde. Noch immer schwingt natürlich etwas Gruseliges mit, wenn man an deren Tätigkeit denkt. Zugegeben, mit der Zeit entwickeln eigentlich alle eine gewisse Lässigkeit bei ihrer Tätigkeit und es bildet sich in ihnen ein Humor, mit dem wohl nicht jeder klar kommt. Oft vergeht ihnen aber selbst das Lachen, wie im folgenden Beispiel: Zu lange ist es her, dass man noch sagen könnte wem und wann es passiert ist – wenn man aber an die Euphorie denkt, mit der viele Totengräber diese Geschichte erzählen, dann könnte man meinen, dass eventuell doch etwas Wahrheit dahinter steckt. Es geht dabei um einen Totengräber, der seiner üblichen Tätigkeit nachging und für einen vor kurzem Verstorbenen ein Grab aushob. Es war ein herrlicher Frühlingstag, man konnte fühlen, dass die Welt am erwachen war und so grub der Totengräber, pfeifend seine Grube. So gegen zehn Uhr unterbrach er kurz, um eine kleine Jause zu sich zu nehmen. Während er so neben seiner Grube auf der Steinumfassung des Nebengrabes saß und gemütlich seine Wurstsemmel und die warmen Sonnenstrahlen genoss, kam, wie es auf dem Friedhof ja nicht selten ist, eine alte Frau den Gang herauf, passierte ihn aber, ohne ihn zurückzugrüßen. Dann eben nicht, dachte er sich, aß fertig und grub weiter. Nach einer Stunde etwa, wer weiß was die Alte in der Zwischenzeit gemacht hat, kam die Frau wieder an ihm vorüber – erneut grüßte er sie, jedoch wieder Schweigen. Diesmal hatte er sich die Frau genauer angesehen und irgendwie wurde er den Verdacht nicht los, dass er sie von irgendwo kennt – was aber andererseits auch nicht verwunderlich war, wenn man in einer kleinen Gemeinde lebte. Der Gedanke ließ ihn aber trotzdem nicht los – und so arbeitete er weiter. Als er dann zu Mittag seine Arbeit für eine Stunde unterbrach, um nach Hause zu eilen und zu Speisen, traf er die alte Frau am Eingang zum Friedhof erneut – er dachte sich: „Noch einmal probiere ich es, sie zu Grüßen und wenn sie wieder nichts sagt, dann soll sie es eben bleiben lassen.“ Keine Reaktion. Gut dass der Totengräber kein jähzorniger Mann war, denn ansonsten wäre er jetzt wohl aus der Haut gefahren. So machte er sich auf zum Mittagessen, von wo er nach Eineinhalbstunden zurückkehrte. Als er sich seiner Grube näherte, sah er, dass die Alte nun am Nachbargrab stand, auf dem er zu Mittag gemütlich gesessen war und seine Jause genossen hatte: „Hm, vielleicht ist das ja der Grund, warum sie mich nicht grüßt, eventuell findet sie es entsetzlich, dass ich auf dem Grab ihres toten Mannes, meine Jause verzehre!“. Also ging er auf die Frau zu und entschuldigte sich für sein verhalten in aller Höflichkeit. Diese aber sah ihn dabei aber nicht einmal an, starrte nur auf das Grab und schwieg, als wäre sie in einem innigen Gebet. Dann eben nicht, dachte sich der Totengräber und machte sich wieder an die Arbeit – als er sich wieder umsah war die Alte verschwunden. „Hoffentlich sehe ich sie nie wieder!“ dachte er insgeheim und grübelte wieder darüber nach, von wo er sie wohl kenne. Bis zum Abend fiel es ihm aber nicht ein. Jetzt erst kam er auf die Idee, einfach den Grabstein des Nachbargrabes anzusehen, dort müsse ja wohl der Name ihres Mannes, oder ihrer sonstigen Angehörigen stehen – dann wisse er endlich, wer die Alte ist. Als er aber den Grabstein durchlas, lief ihm mit einem Male kalter Schauder über den Rücken. Es befand sich sehr wohl der Name der dort begrabenen Person auf dem Grabstein, zusätzlich aber auch noch ein kleines Foto – es war dieselbe alte Frau, die nie zurückgrüßte. Jetzt erinnerte er sich auch, dass er sie letztes Jahr selber eingegraben hatte – und auch, dass ihm dabei ein kleines Missgeschick passierte. Denn üblicherweise wird von den Totengräbern, nachdem die trauernden Gäste verschwunden waren, bevor sie Erde auf den Sarg schütten, mit dem „Gråmp´n“ ein Loch in den Deckel geschlagen, damit die Verwesung schneller einsetzen kann. Damals war ihm aber der „Gråmp´n“ leicht abgeglitten und habe nicht nur den Deckel durchschlagen, sondern sich auch noch durch den Mund hindurch, mitten durch den Kopf der Leiche gebohrt. Jetzt wusste er, warum ihm der Geist keine Antwort gab, er hatte ihr die Zunge zerschmettert.

Quelle: Gerhard Reisecker 2004.
Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 1.