Krätz´n af Hoiz...

Oft hört man von alten Menschen die im Sterben lagen, dass sie schwer mit dem Tod zu kämpfen hatten. Auch in Enzenkirchen trug sich einst derartiges zu. Aus Respekt vor der Verstorbenen verschweige ich lieber deren Identität: Es muss in einem düsteren Herbstmonat gewesen sein, als jene Frau im Sterben lag, drei Tage lang lag sie schweißgebadet in ihrem Bette und dunkle Schatten und düstere Geräusche plagten sie – eine schwarze Fratze dort, das Rascheln einer Kette da – Hoffnungslosigkeit überall. Schon an das „Höllentor“ klopfend tat sie ihre letzten Atemzüge. Die Nerven blank liegend harrte eine Pflegerin neben ihr aus – so gegen Mitternacht des dritten Tages röchelte die Person nur noch vor sich hin, plötzlich zerfetzte ein lautes Kratzen die nächtliche Stille, ein Kratzen, dass vom Ende des Bettes durch den Raum drang, als würden Fingernägel auf Holz gewetzt. Unheimlich wurde es der Pflegerin und kalter Schauder lief ihr über den Rücken – das Kratzen und das kämpfende Röcheln komponierten eine Symphonie des Grauens. Sich auf die Logik der Rationalität besinnend, versuchte sich die Pflegerin das Kratzen zu erklären. Es werden wohl die Zehennägel der alten Frau sein, mit der sie am Pfosten des Bettes kratzt. Neugierig griff sie nach dem Tuchend, um ihre Vermutung zu bestätigen. Im selben Moment aber, klopfte es zweimal laut von außen an die Fensterscheibe und für eine Bruchteil einer Sekunde blieb der Pflegerin vor Schreck das Herz stehen. Mit zittrigem Körper ging sie auf das Fenster zu, um zu sehen, wer die Unverschämtheit besaß, um diese Uhrzeit an die Fenster fremder Häuser zu klopfen; wahrscheinlich ein Besoffener vom nahen Lokal, der sich einen bösen Scherz erlauben wollte. Erst als sie am Fenster stand und in die Nacht blickte, wurde ihr klar, dass sie sich im ersten Stock des Hauses befand und jemand der an das Fenster klopfen wollte ein Leiter gebraucht hätte. Draußen war aber weder eine Leiter, noch etwas anderes zu sehen – nur ein dichtes Schneetreiben ging vor sich und eisige Kälte schielte durch das Fenster. Von der Standuhr im Raum ertönte mit einem Male ein lautes Knarren. Den Reißverschluss ihrer Weste zumachend begab sich die Pflegerin zurück zum alten Weib, noch immer kratzte sie mit ihren Zehennägeln auf dem Holz am Ende ihres Bettes. Neugierig wie zuvor, jedoch mit größerer Angst, griff die Pflegerin erneut nach dem Tuchend und erneut gab es ihr einen Stich durch das Herz – das Kratzen war noch immer zu vernehmen, aber die Beine der Frau waren zu kurz, um auch nur annähernd an das Ende des Bettes zu gelangen. Kratz, kratz, kratz – dazu das leise Röcheln und jetzt beginnt es auch noch von der Wand her zu klopfen – poch, poch, poch. Am liebsten hätte sich die Pflegerin jetzt von ihrem Stuhl hochgerissen und schnell davon gelaufen, aber eine unheimliche Macht hinderte sie daran; da verstummte das Röcheln, kurz gab die Alte noch ein krächzendes Geräusch von sich, riss die Augen auf, sodass man nur mehr das Weiße sehen konnte, gelber Schleim drang aus ihrem Mund und im nächsten Moment sackte sie zusammen und Stille überflutete das Haus, kein Kratzen, kein Röcheln, kein Klopfen mehr. Die Kirchturmglocke läutete ein Uhr – die Pflegerin, sie weiß bis heute nicht warum, erhob sich von dem Stuhl am Bette und trat auf das Fenster zu, an das vorher geklopft worden war, sah aus dem Fenster und erblickt die soeben Verstorbene, wie sie barfuss, nur mit Nachthemd bekleidet, durch den Schnee zu einem schwarzen Wagen, bespannt mit Rappen, watet, einstieg und von einem düsteren Schatten in die Ewigkeit gefahren wurde. Ob dieser Weg wohl ins Paradies führt?

Quelle:
Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 1.