Kroassteh´n...

In alten Tagen glaubten die Menschen, mehr als heute, an alle möglichen Arten von Aberglauben und Magie. Eine besondere Eigenart dieser Zauberei war das „Kroassteh´n“ – dabei konnte man in die Zukunft schauen. Auch ein Mann aus Kriegen wollte das, weil er sich dabei einen großen Nutzen versprach. So wartete er auf die Zwölfnächte, also jene zwölf Nächte zwischen Weihnachten und dem Heiligen Dreikönigstag. In einer dieser Nächte wollte er die Kräfte des Bösen beschwören. Neun Tage wusch er sich nicht und mied jede Art von Gebet. Als Ort für seine Beschwörung der dunklen Mächte suchte er sich die Kreuzung in der Nähe von Götting auf, wo sich zwei Totenwege kreuzten und unweit davon zwei Gemeindegrenzen aneinander stoßen, also die von Kopfing und die von Enzenkirchen. Vorher besorgte er sich aber aus dem Nahen Wald noch eine Hasel- und eine Felberrute – mit diesen beiden zog er, den Rücken der Kirche von Enzenkirchen zugewandt einen Kreis und begann in einem alten Zauberbuch zu lesen. Kaum war er mit dem Aufsagen des Zauberspruchs fertig, konzentrierte er seinen Blick in die Ferne und spitzte seine Ohren – denn nun musste sich ihm die Zukunft offenbaren. Es dauerte keine Minute, als er im nahen Wald plötzlich ein lautes Schnalzen vernahm und ein brennender Heuwagen auf ihn zufuhr, auf dem der Teufel höchstpersönlich saß und mit einer groben Peitsche neun Rappen antrieb. Der Mann aus Kriegen musste nun Haltung beweisen, denn, so heißt es, schafft es der Teufel dass der Beschwörer den Ring verlässt, dann verliert dieser seine Seele. So stand er gefasst in seinem Kreise und starrte voll entsetzen auf das Schauspiel. Wie die „Wilde Jagd“ schoss das Gespann auf ihn zu. Schon wollte er aus dem Kreis springen und sich retten, als ihm einfiel, dass ihm das seine Seele kosten würde. So schoss der brennende Heuwagen knapp an ihm vorbei. Zu seinem Entsetzen aber erblickte er, dass hinten auf dem brennenden Heuwagen eine den Flammen preisgegebene Menschenleiche lag. Es war sein eigener Leichnam, mit dem der Teufel im nahen Wald verschwand. Nun konnte den Mann nichts mehr halten, erschrocken trat er aus dem Kreis und rannte die Straße über Ungernberg nach Hause. Nach der Straßenkreuzung auf der man links nach Natternbach gelangt, rannte er nach rechts den kleinen Hügel entlang Richtung Hintersberg. Als er an der Kuppe des Hügels angelangt war, wo man ins Dorf schauen kann, erblickte er die Kirche die Einuhr schlug. Jetzt erst durchfuhr ihm, was er gemacht hatte, denn erst in diesem Moment war die Geisterstunde zu Ende. Er hätte nicht vorher den Kreis verlassen dürfen. Jetzt würde der Leibhaftige wohl jeden Moment an die Türe klopfen und seinen Tribut, also seine Seele, fordern. Dem Mann war Angst und Bang, Panik ergriff ihn am ganzen Körper. In Furcht versperrte und verrammelte er alle Türen und Fenster im Haus, damit der Teufel ja keine Möglichkeit haben sollte ihn zu holen. Zusätzlich wusch er sich wie schon seit neun Tagen nicht mehr, rasierte sich, tränkte sich in Weihwasser, begab sich zu Bett, wo er bei Kerzenschein die Bibel aufschlug und darin zu lesen begann. Jetzt konnte ihm der Teufel wohl nichts mehr anhaben. Dabei musste er wohl eingeschlafen sein und irgendwie die brennende Kerze, die ihm Licht spendete umgestoßen haben. Sein Bett fing Feuer und mit diesem das Schlafzimmer und das ganze Haus. Der Mann kam zwar rechtzeitig auf, konnte sich vor den Flammen und dem Rauch aber nicht mehr retten, weil er die Türen und Fenster vorhin so gut verriegelt und verrammelt hatte, dass er sie in seiner Not nicht mehr rechtzeitig aufbekam. Elend kam der Mann in den Flammen um, sein ganzes Haus brannte bis auf die Grundmauern nieder. Seine Leiche wurde unter einer umgestürzten Mauer entdeckt. Die Menschen wussten, dass ihn der Teufel geholt hatte, weil man im Schnee, beginnend vor seinem Haus und endend im Göttinger Wald, die Spuren von neun Pferden und einem Wagen fand, die dort genauso spurlos verschwanden, wie sie am Haus des Mannes aufgetaucht waren. Wahrscheinlich hat seit dieser Zeit keiner mehr in Enzenkirchen das „Kroassteh´n“ gewagt. Es könnte aber auch sein, dass man nichts davon weiß, weil keiner mehr da war, der davon erzählen konnte.

Quelle: Samhaber Maria & Heimatkundliches Lesebuch Schärding.
Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 1.