A Liachtl a da Nåcht...

Dass in Enzenkirchen oft unheimliche Dinge passiert sind, davon habe ich schon einiges erzählt. Dass aber diese unheimlichen Geschehnisse oft auch einen allzu menschlichen Anstrich haben, das will ich nun zeigen: Unheimliches ging damals um im „Hitling“ – nicht nur einer, sondern schon einige Menschen hatten es in dunklen Nächten beobachtet. Ein seltsames, unerklärliches Licht schien seit Monaten in bestimmten Nächten seinen Weg durch den „Hitling“ zu nehmen. Vielleicht waren es ja die aus irgendeinem Grund erwachten Seelen jener Soldaten, die einst in den Schützengräben, die angeblich für ein geschultes Auge auch heute noch zu erkennen sind, umkamen. Die Schützengräben stammten aus irgendeinem Krieg, welcher es aber war, darüber streiten sich die Geister genauso, wie über die Herkunft des Namens „Speckholz“ in Hacking. Jedenfalls gingen plötzlich die armen Seelen der Toten im „Hitling“ um und keiner der Bewohner traute sich mehr des Nachts in die Nähe des Waldes – zu unheimlich war es ihnen. So ging es einige Zeit dahin, bis sich endlich ein mutiger Bursche fand, der dem Spuk auf dies Spur gehen wollte. In einer Nacht versteckte er sich im Dickicht des Waldes, nahe des Weges der dort auch heute noch durchführt und wartete auf die armen Seelen. Es war etwas nach elf Uhr, da begann das Unheimliche seinen Lauf zu nehmen. Ein leises Licht kam den Weg entlang in die Richtung des Burschen. Vor Furcht wollte er fast davonlaufen, als er erkannte, dass er den Geist sehr gut kannte. Es war ein alter Mann von Adlberg, der mit einer Laterne unterwegs war. Eigentlich konnte der Alte nicht mehr allzu gut weiter. Zum Arbeiten sei er nicht mehr zu gebrauchen, erzählte ihm der Bauer einst, bei dem er im Auszug lebte; den ganzen Tag über läge er im Bett und sei vollkommen erschöpft und entkräftet, allzu lange würde er wohl nicht mehr zu leben haben, also lasse er ihn lieber in Ruhe. So müde der Alte aber am Tag war, so aktiv schien er in der Nacht zu sein. Der Bursche folgte dem Alten also heimlich; was nicht unbedingt schwierig war, denn dessen Augen waren nicht mehr die besten und sein Gehör war ohnehin mehr als schlecht. Er folgte dem Alten den ganzen Weg durch den „Hitling“ nach Hintersberg zu einem Haus, wo nur noch eine alte Frau wohnte; dort klopfte er ein paar Mal an die Tür und die Frau öffnete ihm. Die ganze Nacht harrte der Bursche vor dem Haus aus und erst gegen fünf Uhr morgens verließ der alte Mann wieder das Haus der Frau. Jetzt wusste der Bursche warum der alte Mann den ganzen Tag über müde war. Er informierte den Bauern des Alten, der unternahm aber nichts, sondern ließ den Geist weiter umgehen, tat er doch keinem etwas!

Quelle: Maria Samhaber o. J.
Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 1.