S´Räde Kreiz...

Das Wirtshaus „Zum Roten Kreuz“ in Thal in der Gemeinde Raab ist heute geschlossen. Vor einigen Jahren war es aber noch ein gut gehendes Wirtshaus. Früher verlief dort die Poststrecke entlang der alten Römerstraße von Wels, das unter den Römern Ovilava hieß, über Enzenkirchen und Eisenbirn in Münzkirchen nach Passau, ehemals Castra Batava oder Boidorum (Innstadt); und auch nach der Abänderung der Postroute über Sigharting, Taufkirchen und Schärding nach Passau unter Josef II. lag es immer noch direkt an dieser alten Hauptverkehrsader durch unseren Bezirk. Unweit dieses Gasthauses ist auch ein alter Steinbruch, der heute vielen zum Baden dient, der ebenfalls „Rotes Kreuz“ heißt.

Zu den Gästen des Wirtshauses gehörte damals auch ein Mann aus Kriegen. Oft saß er dort bis tief in die Nacht hinein und unterhielt die Leute und trank dabei oft auch über das Maß hinaus. Nach der Sperrstunde ging er immer durch den Rothmaierberg, einem großen Wald zwischen Enzenkirchen und St. Willibald, über Schwarzenberg nach Hause. Die meisten Nächte war er alleine unterwegs. In einer Nacht aber ging noch ein Nachbar von ihm mit, der sonst zwar so gut wie nie im Wirtshaus anzutreffen war, der aber an diesem Abend auch länger hängen geblieben ist. Im Grunde genommen ist das ja nichts Eigenartiges, wenn zwei Männer, etwas betrunken, des nachts heimgehen. In dieser Nacht aber, war das anders. Es musste eine der Raunächte gewesen sein, als die beiden unterwegs waren; und um sich die Zeit zu vertreiben und den Weg etwas abzukürzen begannen sie sich gegenseitig Geschichten zu erzählen, die sich alle um den Rothmaierberg drehten und ziemlich gespenstisch waren. Als sie noch Kinder erzählte man ihnen früher oft allabendlich solche Geschichten. In ihrem alkoholisierten Zustand und ihrem männlichen Übermut aber, machten sie sich über die alten Geschichten lustig und einer wollte den anderen an lächerlicher Darbietung übertrumpfen. Innerlich waren sie wohl doch nicht ganz so mutig, denn wie es im Sprichwort heißt, mit dem man das Verhalten der beiden Männer annähernd beschreiben könnte: „Hunde die bellen, beißen nicht!“.

Gerade um ihre Angst zu verstecken die ihnen seit Kindheit an wegen dieses Waldes im Nacken saß, mussten sie diese nun mit blödem Gerede überspielen; so wie eben derjenige am wenigsten Mut hat, der am meisten damit prahlt. Verstärkend auf ihre Angst war wohl auch die Tatsache, dass sie in einer der Raunächte unterwegs waren in denen ohnehin die Grenzen zwischen diesseitiger und jenseitiger Welt fließend waren. Diese Tatsache war ihnen sehr wohl bewusst und schwang sicher bei ihrer Unterhaltung mit. Als sie sich gegenseitig mit Lächerlichkeit nicht mehr übertrumpfen konnten, schlug plötzlich einer vor, dass sie den bekannten Weg nach Hause verlassen sollen, um quer durch den Wald zu marschieren. Keinem war wohl bei dieser Tat, aber einen Rückzieher zu machen, dass wäre jetzt feige gewesen. Also kämpften sie sich ihren Weg durch das dicke Gestrüpp des Rothmaierberges. Es gab Jäger zur damaligen Zeit, denen war nicht einmal geheuer, wenn sie am helllichten Tag durch diesen Wald hätten gehen müssen, geschweige denn in stockfinsterer Nacht. Auf eine solche Idee konnten wohl nur zwei kommen, die ihr Schicksal herausfordern wollten. Anstatt in dieser kalten Nacht den schnellsten Weg nach Hause zu nehmen, streiften sie lieber durch den Wald und froren bis auf die Knochen. Eisiger Wind blies von Norden her über das Land, und auch die Dichte des Waldes konnte ihm nicht trotzen. Mit eingeredetem Mut stapften sie durch den kniehohen Schnee, der den bereits vom Alkohol Gezeichneten noch zusätzlich das Gehen erschwerte. So geschah es, dass sie sich aus den Augen verloren und nun beide im Wald umher irrten und keiner mehr wusste wo er war. Die Kälte nahm zu, und die Hoffnung der beiden sich wieder zu finden ab. Der Wind pfiff ihnen nur so um die Ohren. Zwischen den Pfiffen vernahmen sie plötzlich Stimmen. Beide, obwohl getrennt, und wahrscheinlich nur einige Meter voneinander entfernt, waren nun am Kamm des Rothmaierberg angekommen, wo sich einst eine kleine Lichtung befand und der Wind noch stärker blies. Jedoch nichts zu sehen, obwohl der Mond über ihnen die Lichtung erhellte. Der Mann aus Kriegen befand sich noch im Gestrüpp des Waldes, während sein Freund vor Neugier auf die Lichtung geeilt war, wo er ihn wieder sah. Schon wollte er zu ihm hineilen, als dieser plötzlich von einer Wucht des Windes getroffen und mitgeschleift wurde. Es sah aus, als hätte ihn jemand unter den Achseln gepackt und mitgeschleift. Der Mann war starr vor Angst und ihm war das ganze mehr als rätselhaft, denn weit und breit war Nichts zu sehen. Erst als sein Blick auf den tiefen Schnee auf der Lichtung sah, wurde ihm klar, was vor sich ging. Im Schnee waren unzählige Spuren zu sehen, die sich vom Norden kommend Richtung Süden quer über die Lichtung ausbreiteten. Es musste ein Geisterheer sein, dachte er sich. An der Spitze dieses Heeres sah er die Abdrücke von Bockfüßen und dahinter jene von unzähligen Tieren, wie Hunde, Katzen, Pferde, usw. Sein Nachbar war in das Heer der „Wilden Jagd“ gelangt. Er beschloss zu fliehen, bevor sie auch noch ihn mitrissen. Wie vom Teufel gehetzt, und diesmal war es nicht einmal so weit hergeholt, rannte er durch den hohen Schnee und das dichte Gestrüpp des Waldes. Luzifer war hinter seiner Seele her, dessen war er sich jetzt bewusst. Das Geäst der Bäume zerschnitt sein Gesicht, die Dornen unter dem tiefen Schnee rissen erst seine Hose in Fetzen und schürften dann die nackte Haut auf, sein Herz raste vor Angst und Überanstrengung. Zuhause angekommen versperrte er die Haustüre hinter sich und begab sich zum Kachelofen, um sich zu wärmen. Noch am Morgen, als seine Frau in die Stube trat, saß er dort und starrte Löcher in die Luft. Auf jede Frage die ihm seine Gattin stellte, kam nur unverständliches Gemurmel und immer wieder fragte er nach seinem Nachbarn, sodass seine Frau sich veranlasst fühlte nach diesem zu schauen. Drei Tage lang dauerte der Dämmerzustand des Mannes und auch nachher war er nicht mehr derselbe wie früher. Im Gasthaus zum „Roten Kreuz“ kehrte er nie mehr ein, genauso wie sein Nachbar, denn der kam nie mehr nach Hause.

Quelle: Moser Franz, 1990.
Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 1.