Sechsi – Neini – Aus!

Eine alte Tradition bei uns im Innviertel hat das Eisstockschießen. Früher, als die Winter noch kälter waren, frönten die Bewohner unserer Umgebung gerne diesem Sport. Die Kinder übten sich in dieser Betätigung, um mit den Alten gleichzuziehen. Dabei gab es keinen Unterschied zwischen dem reichen Bauern und dem armen Knecht. Im ganzen Land konnte man Eisbahnen finden, die man meist in der Nähe von Gewässern wie Bächen anlegte. Viele dieser Bahnen wurden allerdings im Laufe der Zeit eingestellt, und so findet man heute nur noch wenige. Vergessen ist daher wahrscheinlich auch die Eisbahn unweit des Gschwendt-Hölzl bei Hacking. Von nah und fern strömten damals die Menschen, wenn es ihnen der harte Arbeitsalltag erlaubte, aus der umliegenden Gegend herbe, um die Eisstöcke aneinander krachen zu lasen. Dass es dabei oft allzu Lustig zu ging braucht man dabei nicht extra zu erwähnen, denn was wäre schon damals ein Eisstockschießen ohne das notwendige „Zielwasser“ gewesen – half dieses doch zum einen, wie man ja schon am Namen erkennen kann, die Zielgenauigkeit zu erhöhen, und zum anderen gaukelte der Schnaps, aus dem Inneren des Körpers kommend, eine wohlige Wärme vor, die man bei der eisigen Kälte nicht missen wollte. Verständlich, dass manches Treiben auf den Eisbahnen von einigen geistlichen Herrn nicht gerne gesehen wurde, und so warnten diese oft vom Predigtstuhl herunter ihre Schäfchen zur Vorsicht; denn, so lautete ihre Angst, sei der Teufel bei solch geselligen Umtrieben, oft nicht lange abwesend. Sah er dort doch seine Chance auf Seelenfang. Besonders an heiligen Tagen und auch Samstag-Abenden sollte man sein Schicksal lieber nicht herausfordern.

Natürlich wurden diese moralischen Mahnungen gerne in den Wind geschossen, überhaupt, wenn selbst die Herrn Pfarrer jenem Spiel nicht immer abgeneigt waren. Und so spielte man eben trotzdem sorgenlos weiter, wie auch auf der Eisstockbahn im Gschwendt-Hölzl. Oft passierte es auch, dass die Burschen und Männer des Dorfes den ganzen Samstag hindurch bis tief hinein in die Nacht spielten. So geschah es auch an jenem Samstagabend. Immer lustiger und trinkfester wurde die Geselligkeit; und mit dem Alkohol und hervorgerufen durch den überhöhtem Zielwasserkonsum, stieg auch die Bereitschaft der Männer ihren Missmut über verpatzte Schüsse durch oft gotteslästerliche Flüche Luft zu machen. Daher bemerkten sie nicht, dass sie einen stillen Beobachter hatten, der abseits der Bahnen ihrem Treiben sichtlich interessiert zusah. Erst als plötzlich, wenn die Partie entschieden schien, immer aus dem Nichts ein Eisstock auftauchte der niemandem gehörte, in die Menge der anderen Stöcke platzte und das schon als fix erachtete Ergebnis zerstörte und jede Hoffnung platzen ließ, fiel den Männern der vollkommen in grün gekleidete, einen spitzen Filzhut tragende Fremde auf. Vor allem sein hämisches, schadenfrohes Gelächter und sein Spot: „Sechsi-Neuni-Aus!“, der jedes Mal erklang, wenn der gespenstische Eisstock in die Menge der Anderen Eisstöcke platzte, reizte sie mit jedem Erklingen mehr und jeden saß die Angst im Nacken. Keiner aber traute sich gegen den Eisstock und den Mann vorgehen, da sie wussten, wer der Fremde war. Trotzdem spielten die Männer den ganzen Winter hindurch, von dem Fremden beobachtet, weiter. Noch oft sollten sie die Worte: „Sechsi-Neuni-Aus!“ vernehmen, aber sie verstanden wohl die Warnung nicht, die mit diesen Worten mitschwang.

Man erzählt sich, dass noch sechs der beteiligten Männer im selben Winter ihr Schicksal ereilte – zwei Ältere verstarben an „Auszehrung“, wie es damals hieß, einer verschwand eines Nachts, als er jagen war, ein weiterer erlitt eine Blinddarmentzündung und die verbleibenden Beiden, ein Bauer und sein Knecht, erschlug beim Holzarbeiten ein Baumstamm. Die restlichen drei Männer sollten ebenfalls das kommende Jahr nicht überleben und schieden, eigentlich noch vor ihrer Zeit, durch die unterschiedlichsten Ursachen aus der Welt. Hätten sie doch auf die warnenden Worte jenes Fremden gehört, die im Nachhinein fast schon prophetischen Charakter hatten: „Sechsi-Neuni-Aus!“

Mit dem Schicksal der neun Männer, war auch das der alten Eisbahn besiegelt, denn niemand wagte es jemals wieder sie zu betreten. Sie verfiel und heute sieht man von ihr nichts mehr. Von Gräsern, Sträuchern und Bäumen ist sie überwuchert und in ein paar Jahren wird sich niemand mehr daran erinnern können, dass es sie jemals gegeben hat.

Quelle: Samhaber Maria, o. J.
Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 1.