A Täda an Schnee...

Das die Winter früher stärker waren als heute, das ist vermutlich keine Neuheit mehr. Betrachtet man sich alleine gewisse Notizen in diversen Pfarrchroniken, dann stößt man da nicht selten auf Winter, die Anfang Oktober begannen und Ende April, einmal sogar erst Ende Mai aufhörten. In einem solchen langen Winter spielte sich auch jenes Drama ab: Eisige, klirrende Kälte lag über dem Innviertel und keiner begab sich nach draußen, wenn er nicht unbedingt musste. Viele Menschen erfroren damals, sei es, weil sie mit dem Pferdegespann auf dem Weg nach Schärding waren und dort nicht mehr lebend ankamen, oder weil sie Obdachlose waren. Zu den Letztgenannten gehörte auch jener Mann, der eines Abends durch den Ort von Enzenkirchen ging und man an seinem leicht bläulich gefärbtem Gesicht und seinen schon fast abgefrorenen Fingern erkennen konnte. Lange würde er diese Kälte wohl nicht mehr aushalten können, dachte er sich insgeheim und fasste den Beschluss, das nächste Haus anzusteuern, um den Besitzer um Einlass zu bitten, damit er sich etwas wärmen könne. Gesagt getan, ging er zum nächsten Haus und klopfte so fest er konnte an die Tür. Es dauerte auch nur einen Moment, da öffnete ihm schon die Bäuerin des Anwesens, eine griesgrämige Frau in mittlerem Alter. So freundlich es ihm möglich war bat er, ob er sich nicht etwas ins Haus kommen könne um sich etwas zu wärmen und eventuell um eine Schüssel warme Suppe. Die Frau aber schmetterte ihm, ohne nur ein Wort zu sagen, die Tür vor der Nase zu. Der Obdachlose, am Ende seiner Kräfte und tief getroffen von der Kaltherzigkeit der Frau, sackte vor der Haustüre zusammen und schlief kurz darauf mit Tränen in den Augen ein. Es sollte das letzte Mal gewesen sein, denn er wachte nie mehr aus diesem Schlaf auf. Am nächsten Morgen wurde der arme Mann von der Nachbarin der kaltherzigen Frau entdeckt; als sie dem Mann zu Hilfe eilen wollte, öffnete sich im selben Moment die Haustüre vor der er lag, die kaltherzige Frau stieg über ihn hinweg und eilte, mit ihrem Gebetsbüchlein in der Hand, in die sonntägliche Messe, ohne nur einen Gedanken an den Erfrorenen zu verschwenden; wäre es nach ihr gegangen, dann hätte sie den Armen auf dem Misthaufen verscharrt. Dank der Nachbarin aber bekam der Mann eine Beerdigung, die sie aus eigener Tasche bezahlte, damit er wenigstens im Tod seine Ruhe finden konnte.

Quelle: Allmannsberger Mathilde 2004.
Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 1.