Teifelspupp´n...

Sicherlich ist es heute veraltet, wenn man behauptet, dass einzig und allein Mädchen mit Puppen spielen – aber in früheren Zeiten entsprach das sehr wohl noch der Wahrheit. Um eine solche Puppe soll es auch in der folgenden Geschichte gehen, die vor einigen Jahrzehnten ein paar kleinen Kindern aus Mühlwitraun an einem düsteren Herbsttag erlebten. Wahrscheinlich ist es falsch, wenn man von „kleinen Kindern“ spricht, denn immerhin waren sie zwischen zwölf und sechs Jahre alt – also durchaus schon ein Alter, in dem Elter die Jüngeren beaufsichtigt von den älteren Kindern alleine zu Hause lassen können – und so geschah es auch, weil die Eltern nach Kenading zum Treffen des Sparvereins schauten. Es wäre wohl auch nichts passiert, wenn sich nicht schon am Nachmittag desselben Tages etwas Seltsames ereignet hätte. Die Kinder waren nämlich allesamt am Nachmittag im nahe gelegenen Holz spielen und drangen dabei immer tiefer in den Wald vor, wo sie auf eigenartige Pilze und Wurzeln stießen – und da sie ihre Fantasie nicht im Stich ließ, bastelten sie bald aus dem herumliegenden Möglichkeiten ein paar Puppen zusammen und spielten sich mit ihnen. Dabei übersahen sie vollkommen, dass sie die ganze Zeit über im Nahen Wald von einer dunklen Gestalt beobachtet wurden, die sich ihnen langsam näherte. Erst als dieser Schatten sie ansprach, schraken sie auf und starrten entsetzt in dessen Angesicht. Es war eine alte Zigeunerfrau mit unzähligen Falten im Gesicht, tief gebeugt und sie entsprach jener Vorstellung, welche die Kinder von der bösen Hexe bei „Hänsel & Gretel“ hatten – und mit ebenso krächzender Stimme fragte sie die Kinder, ob sie ihnen zeigen soll, wie man eine besondere Puppe bastelt. Ängstlich zu widersprechen, und die Furcht zu tief in den Knochen um davon zu laufen, folgten sie willenlos der Alten, die sie in die Nähe der heutigen „Felsenhütte“ führte, wo sich damals noch ein kleiner Sumpf befand. Sie begann beschwörend irgendwelche Zauberformeln vor sich herzusagen, spuckte dabei des öfteren in alle Himmelsrichtungen und schuf aus Wurzeln, die tief in der Erde verborgen waren, eine Puppe mit ganz eigenartigem Aussehen. Sie reichte sie den Kindern, die natürlich sofort damit begannen mit der Puppe zu spielen. Was sie nicht bemerkten war, dass die Alte genauso schnell wieder verschwunden war, wie sie aufgetaucht war – also nahmen sie die Puppe mit nach Hause. Dort befand sie sich auch noch am späten Abend, als bereits die Nachtgräfin ihren dunklen Mantel über die Umgebung gelegt hatte und die Kinder alleine zu Hause waren. Mit zunehmender Dunkelheit wurde die Fratze der Puppe immer hässlicher und keines der Kinder traute sich noch sie anzufassen – alleine und schrecklich saß sie nun inmitten des alten Sofas und starrte die Kinder genauso an, wie diese sie. Die Sekunden, Minuten und schließlich Stunden verflogen und die negative Aura der Puppe hatte mittlerweile das ganze Haus erfasst. Man vernahm nur noch das leise Ticken der Standuhr im Hintergrund, die bald elf Uhr schlug und der eigentliche Spuk erst jetzt begann. Der Puppe wuchsen plötzlich Haare, ihr Gesicht verformte sich und zeigte das Gesicht der Alten, bis sie sich erneut vollkommen verwandelte und sie das Gesicht eines Nachbarn entdeckten – krächzend wie die Stimme der Alten am Nachmittag, erhob sich plötzlich ein schrecklicher schwarzer Vogel vor dem Fenster und stürzte davon. Jetzt konnte die Kinder nichts mehr halten, sie stürzten allesamt aus dem Haus, hinaus ins Freie – auch wenn sie nicht wussten, was sie dort erwarten würde. Zum Glück kamen im selben Moment die Eltern nach Hause, denen sie zwar alles erzählten, die sie aber nur belächelten und alles als Hirngespinst von Kindern abtaten. Erst am nächsten Tag sollten sie erfahren, dass wohl nicht alles ein bloßes Produkt der Fantasie war, denn in der Vornacht, so gegen elf Uhr nachts, verstarb der Nachbar, in dessen Gesicht sich die Puppe verwandelt hatte – angeblich hatte er eine Woche vorher eine alte Zigeunerin und ihr Kind davongejagt, als sie ihn um etwas Essen baten.

Quelle: Mathilde Allmannsberger 2004.
Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 1.