An Enthoiz…

Einst, als das Entholz noch zu Enzenkirchen gehörte, war dort ein Holzfäller fleißig bei der Arbeit und obwohl die Sonne schon dabei war unterzugehen, begann der Mann damit einen neuen Baum zu fällen, denn bis es wirklich dunkel ist, würde es ohnehin noch eine Weile dauern. Als er jedoch zum ersten Schlag auf die Esche ansetzen wollte, verriss er sich sein Kreuz und schrie laut auf vor Schmerz. Zu Boden gesunken dauerte es einige Zeit, bis er sich wieder aufrappeln konnte. Noch immer voller Schmerzen setzte er sich auf den vorhin gefällten Baumstamm um etwas zu ruhen. Seinen Blick geradeaus gerichtet, sah er nur in seinem rechten Augenwinkel eine weiße Gestalt an ihm vorbeihuschen. Eiligst wollte er der Gestalt mit seinem Kopf folgen, schrie aber sogleich wieder voll Schmerz auf, wegen seinem Rücken. Erst nach einem erneuten Anlauf folgte sein Blick der Gestalt. Ein Mann vollkommen in weiß gekleidet wanderte schnurstracks Richtung Nordosten. Interessiert folgte er dem Mann, nahm sich aber seine Axt mit, da man ja nie wissen könne was einem im Wald alles erwarte. Bald schon hatten beide die alte Hochstraße erreicht, welcher sie in Richtung Jungfernstein folgten. Der Jungfernstein war weit und breit bekannt, denn angeblich sollen einst dort die Heiden ihren Göttern geopfert haben. Kurz bevor beide jedoch den Jungfernstein erreichten, verließ der Holzfäller die Straße und verschwand im nahen Wald und suchte sich einen guten Platz von wo aus er den Jungfernstein sehen konnte. Dort hatten sich schon mehrere Menschen in weißen Kleidern zusammengefunden, wenn er auch kein einziges bekanntes Gesicht erkennen konnte. Fast hatte es den Anschein, als wären sie alle irgendwie durchsichtig, was aber vermutlich nur am fahlen Licht der Abenddämmerung lag. Lange dauerte es nicht, da stieg einer der Männer auf den Jungfernstein, machte eigenartige Gesten mit seinem Gehstock und sprach Wörter zu ihnen in einer Sprache, die der Holzfäller nicht verstand. Als dieser zu Ende gesprochen hatte, führten zwei Männer aus dem nahen Wald ein junges Mädchen hervor, welche mit einem Fuß auf den Jungfernstein steigen musste. Im selben Moment krachte es über dem Holzfäller und ein Ast stürzte auf ihn nieder, dass er bewusstlos war. Erst nach einigen Stunden, als die Kirchenglocken von Kopfing Mitternacht schlugen erwachte er wieder. Von den Männern in weiß war aber nichts mehr zu sehen.

Kommentar:

An Enthoiz: Nicht nur der Jungfernstein war früher heilig, das angrenzende „Entholz“ soll in Urzeiten ebenfalls ein heiliger Bezirk gewesen sein, der nur Priestern zugänglich war. Aufgezeichnet von Ruhland Josef im Heimatbuch von Kopfing 1987, S. 140.

Quelle: Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 2.