Wånn Enzenkiringa Weiba an Graf Enzo suachan…

Eines wird sich wohl niemals ändern, dass die Jungen den Alten nicht trauen und umgekehrt. Und genauso unausrottbar verhält es sich mit falsch verbreitetem Schulwissen. Seit ich an der Enzenkirchner Heimatchronik arbeite ist mir erst klar, wie wichtig den Enzenkirchner ihr sagenhafter „Graf Enzo“ ist. Einigen Frauen von Enzenkirchen sogar so wichtig, dass sie sich auf geheime Mission begaben und eine Expedition in ferne Gestade wagten. Unbeirrbar in ihrem Glauben an ihr Idol machten sie sich auf eine Odyssee quer durch Oberösterreich, um, im übertragenen Sinn, wie einst die Argonauten das „Goldene Vlies“, die Wahrheit über „Graf Enzo“ herauszufinden. Denn was hat ihnen denn schon „a junga Hupfa“ zu sagen, wissen sie es doch besser. Hatten sie doch einst im Heimatkundeunterricht in der Volksschule von „Graf Enzo“ gelernt. Er habe unsere Kirche erbaut, und seither würde unser Ort seinen Namen tragen. So hatte es ihnen Herr Direktor Otto König gelehrt und der hat es wissen müssen, denn immerhin war ein graumelierter, alter, weiser Mann, der vieles auf der Welt gesehen hatte. Und nun käme einer wie ich, der behauptet, dass alles nur ein Mythos sei, ein Sage, ein Ammenmärchen für kleine Kinder? Welche Blasphemie! Brennen soll ich dafür in der Hölle! Aber immerhin lebt ja die Witwe des alten Direktors noch und die hat sicherlich noch Unterlagen ihres selig verstorbenen Mannes. Wie Don Quichote war es nun an ihnen gegen die Windmühlen des jugendlichen Leichtsinns und der Unwissenheit zu kämpfen und der Welt den Heiligen Gral des Schulwissens zu zeigen. Zerschmettern werden sie das baalische Götzenbild, und wie einst Moses von Horeb werden sie vom Berg der Weisheit den Enzenkirchnern Erleuchtung bringen. Drinnen im Gebirge nahe den Alpen, dort irgendwo werden sie in einer seit langem verschollenen Höhle Athene an Mimirs Brunnen auf der Gesetzeslade sitzend vorfinden und Brans Schädel oder Albertus Magnus Stein der Weisen wird ihnen orakulös auf den Schwingen des heiligen Geistes die Wahrheit auf einem Teller präsentieren, wie einst Salome und Herodias den Schädel von Johannes. „Da blede g´Studierte G´schråpp, wås büd a si eigentli´ ei´?“. Aber Apollo und Athene hatten Midgard und Odin Hlidsjkalf verlassen, gähnende Leere und Ginungagap überall. Auch drinnen in den norischen Bergen fanden sie keine Antwort, wie einst Gilgamesch mussten sie einsehen, dass sie nur sterblich waren, aber dort irgendwo im Osten, wo die Sonne immer aufging, im fernen Vindobonna, im Österreichischen Staatsarchiv, wo der akademische Olymp versammelt sei, dort würden sie Erleuchtung finden und Alexander Bell zum Dank würde man bald mehr wissen. Wieder nichts! Auch dort im Olymp der Weisheit wusste man nichts von einem Graf Enzo. Es musste sich um eine Verschwörung handeln, irgendjemand wollte ihnen den heroischen Gründer ihrer Heimat ausreden, sie für dumm verkaufen. Aber den Wienern war doch noch nie zu trauen, diese „Weanna Bazi“, hatten sie doch einst auch Mozart ermordet und die braven Habsburger vertrieben, unsere schöne Monarchie zerstört. Schon immer waren dort doch die Freimaurer, Illuminaten, Rosenkreuzer, Bilderberger, Templer usw. versammelt und wollten das Volk für dumm verkaufen. Eines Tages würde der Tag schon noch kommen, an dem der „Wiener Wasserkopf“ abgeschlagen wird. Sie waren zwar erschöpft von der langen Suche, aber aufgeben werden sie sie trotzdem nicht. Irgendwo, irgendwann, und sei es auch in einer noch so fernen Zukunft, werden sie die Wahrheit finden und allen zeigen, dass sie ihn gefunden haben, ihren „Graf Enzo“ – draußen, irgendwo in einem Berg oder Hügel schläft er sicherlich noch immer und wartet nur darauf seine Tafelritter, die immer an ihn geglaubt haben zu belohnen.

Und ich persönlich bin ihnen dann mehr als nur dankbar dafür. Vielleicht schlummert ja in der Tat der Name des „Grafen Enzo“ noch irgendwo in einem Archiv und wartet darauf entdeckt zu werden. Ich jedenfalls habe ihn bis jetzt noch nirgends gefunden und dass, obwohl ich alle mir zugänglichen Urkundenbestände durchforstet habe, vielleicht bin ich aber auch nur nicht auserkoren dazu den heiligen Gral zu finden?

Kommentar:

Wånn Enzenkiringa Weiba an Graf Enzo suachan: Diese kleine Geschichte ist als kleiner Seitenhieb gegenüber einigen Enzenkirchnern und Enzenkirchnerinnen, die mir nicht glauben wollen, dass ich bei noch so angestrengter Suche nach einen urkundlichen Beweis für den sagenhaften Gründer von Enzenkirchen, immer noch nicht fündig geworden bin und seine Existenz daher ins Reich der Sagen, Mythen und Märchen verweisen muss.

Quelle: Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 2.