Wånnst a Kommunist bist…

Liest man die alte Pfarrchronik dann bemerkt man schon nach ein paar Zeilen, dass die Enzenkirchner schon immer ein ziemlich politisierendes Volk waren, schon der erste Pfarrer Ubald Machermayer versteckte sich schon Anfang des 19. Jahrhunderts im „Wållhäusl“ hinten im Wald anstatt mit den Franzosen zu paktieren, einer seiner Nachfolger marschierte gar nach dem Verlust der Lombardei mit hochgehaltener Kaiserfahne alleine in die Lombardei ein vertrieb die Italiener für „Gott, Kaiser und Vaterland“ und hatte erstaunlicherweise nebenbei sogar noch Zeit ein paar Zeilen in die Pfarrchronik zu schreiben. Im 20. Jahrhundert machte ein weiterer Geistlicher Herr aus Enzenkirchen jeden Sonntag die Enzenkirchner aufs neue von der Kanzel herunter „katholisch“, während einige Nazis wochentags aus der Kirche ein Kino machten, um am Sonntag in der selben die heilige Eucharistie zu empfangen – es war wohl doch besser auf zwei Schienen zu fahren, wusste man ja doch nicht mit Sicherheit welches Gleis ins Paradies führte; nach 1945 setzte sich diese Einstellung mit dem bekannten Wechselparteibuch weiter – je nach dem ob man von dieser oder jener Partei etwas wollte, der Mensch ist schließlich käuflich und bei noch so übertriebenem Idealismus ist man am Ende jeder selbst sich doch der nächste. Das waren damals eben noch einfach Zeiten ein Blatt Papier hatte schließlich zwei Seiten, kompliziert wurde es erst später, plötzlich musste man aus dem bis dato einfachen Zettel ein Giebeldach mit Boden falten, sozusagen das Toblerone des politischen Opportunismus; wenn die Enzenkirchner nämlich am Katholizismus etwas begriffen haben, dann die heilige Dreifaltigkeit – einzig sie allein führt zu persönlichem Glück und seelischem Heil. In den Achtzigern wurde die Sache dann auf Bundesebene noch komplizierter, bestimmte doch von nun an der politische Kubismus das politische Bild und aus einem Toblerone wurde plötzlich der Mantel eines Hauses – so war es an der Zeit sich seiner Position bewusst zu werden man musste nun endlich Farbe bekennen und Stellung beziehen, aus dem bis dato gemütlichen Nachbarn wurde ein Feind der eigenen Weltanschauung und dieser musste mit allen möglichen Mitteln bekämpft werden, gegenseitiger Boykott war die Devise. In Berlin riss man die Mauer nieder, um sie hier neu zu errichten, anstatt Gemeindebürger zu sein, wurde man Mitläufer – aus einem Miteinander wurde ein Gegeneinander – wäre es möglich wäre eine „g´sunde Watsch´n“ unserer Vorfahren von Nöten – eine gemeinsame Heimat die sie damals aus dem Nichts errichteten machten ihre Kinder zu einem Streitfeld. Und in all diesem Regenbogen von Farben war unterschwellig auch immer eine bestimmte Partei am vegetieren, die Kommunisten – und über zwei Paradebeispiele dieser Partei soll es im Folgenden gehen: „Reaktionär!“ schrieen diese zwei jungen Che Guevaras dem damaligen Priester entgegen, der kurz überrascht war sich aber kurz darauf im Stillen dachte: „Eich kriag i bei da nächst´n Beicht, Rotzbuam! Gånz damisch werds vo lauta Räs´nkrånz sa´!“. Gemütlich lagen beide auf zwei roten Kommunistenfahnen in ihrem wohlverdienten Sommerurlaub im Gras bei der Kirche und ließen sich die Sonne ins Gesicht scheinen und träumten von der proletarischen Revolution: „Kennst du an Marx?“ fragte einer den anderen. „Jå sicha, kenn i an Max an Ratzenbå´, warum?“ antwortete der Zweite prompt. „Net an Max an Ratzenbå´, an Karl Marx?“ und schüttelte etwas genervt seinen Kopf. „An Karli hån i nu net kennagleant, is des a kloana Bruda?“ erkundigte sich der Zweite: „Du bist so ein unbeschreiblicha Trottel. Da Karl Marx der wås ´Kapital´ g´schrieb´n håt?“ setzte der Erste etwas genervt fort: „Wechane Kapitel? A Biache håt mehra Kapitel!“ – „Wuarscht, eft denk a ma scho´ wånnst Feichta håst håt a dei´ Hirn frei!“ ärgerte sich der Erste weiter. Im selben Moment ging eine ältere Frau die Stiegenkirche rauf in Richtung Kirche. „Pfåff´ndoan!“ schrie ihr einer der beiden zu. „Gu(t)n Morg´n!“ grüßte sie, da „Pfåff´ndoan!“ als „Gu(t) Morg´n!“ gedeutet, zurück. „Irgendwånn wiad de proletarische Revolution iba olli dahinbraus´n!“ gehen die Tiraden weiter: „Mia leb´n scho´ in an ziemlich åidfaderisch´n Dä(r)f! Olli rennans an Sunda in Kira, bet´n oiweu fleißi´ und schern se an Dreg um de Revolution – guat dass wenigst´ns mia då san!“ fährt der gesprächigere von den Zweien fort und bemerkt gar nicht, dass sein Kumpel in der warmen Sommersonne einschlief; und nach einer Weile sackt auch er weg. Sich selbst in den Schlaf reden, dass ist schon eine Kunst! Erst als der Kirchenturm seinen Schatten auf sie warf und es daher kälter wurde, wachte der Gesprächige wieder auf und begann sogleich gegen den Kirchturm und dem darauf befindlichen Hahn zu wettern: „So a reaktionärer Håh´n so a bleda! Dem årachtat´n Voik a nu d´Sunn nehma, nå dia werd es zoag´n!“ schimpfte er weiter als er ins nahe gelegene Haus eilte, um kurz darauf gleich wieder mit dem Gewehr seines Vaters, der Jäger war, zurück zu kommen. Liegend auf seiner roten kommunistischen Sowjetfahne zielte er auf den Wetterhahn auf dem Kirchturm und es dauerte nur ein paar Sekunden, als der erste Schuss krachte und seinem Freund aus den Träumen und den Hahn beinahe von der Kirchturmspitze riss. „Wås tuast den iatzt wieda fia an Bledsinn? Wås håt da denn da Wedahåhn tå(n)?“, sein Freund war aber keineswegs um eine politisch Korrekte Antwort verlegen: „Da Hå(h)n wår scho´ oiweu a reaktionärer Großkapitalist, seit oid´n Zei(t)n schreit a in olla Herrgottsfriah de schläfad´n Leid af, damit as a d´Åracht hetz´n kånn, der bleda Gloiffe der bleda. Himmöherrgottssakrament!“ und der nächste Schuss krachte: „..und is ned sogå(r) in unsam Gemeindewåpp´n a Hå(h)n drin ois Zeich´n fia de ådling Herrn vo´ Formbå(ch)-Neiburg? Oiso wieda a oandeitigs Symbol fia de Intadrückung vo´ de å(r)ma Bau´n?“ und erneut krachte es. „I hå(b)ma denkt des is a Greif?“ will der andere beruhigen. „Vo´ weg´n a Greif – schaut aus wia a zrupfta Gickal!“ und wieder ein Krachen. „Warads dånn net g´scheida du taratst af de Hendl vom Buachinga schiaß´n? Dånn hätt ma wenigstens wos zan ess´n!“ – „A Frißnig´l bist åba du a koan schlechta, åba wo´st Recht håst håst Recht! Bavän ma åwa zan Buachinga ge(h)ngang knotz ma se nu af a Måß oda zwoa zan Obanwirt´n – denn Revolution oda nicht, wånn ma net g´nuag sauft kriagt ma Gicht!“ Von diesem Moment an hatte der Wetterhahn auf dem Kirchturm seine Friede wieder gewonnen und auch die Hühner vom Buchinger wurden kein Opfer der Revolution, denn die kam an diesem Tag über die Obernwirtsgaststube nicht hinaus! Prost!

Kommentar:

Wånnst a Kommunist bist: Beim Restaurieren des Kirchenturms fand man dort in den 1970er-Jahren alte Urkunden im Turmkreuz, die aber nicht mehr zu lesen waren, weil durch Einschusslöcher sie von der Witterung zerstört wurden. Entstanden sind diese Einschusslöcher vermutlich dadurch, dass zwei Enzenkirchner einst mit einem Gewehr auf den Kirchturm geschossen haben. Erzählt von Grömer Herbert, 2005.

Quelle: Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 2.