Mia sans ned g´wen…

„Lausbuam san oanfach Lausbuam!“ Zu so einem Lausbuben gehört natürlich, dass er auch ab und zu etwas anstellt – und kommen dann mehrere Lausbuben gleichen Grades zusammen, dann kann es schon passieren, dass aus einem kleinen Lausbubenstreich schon mal ein kleines – na ja, ich würde nicht sagen Verbrechen – aber irgendetwas dazwischen wird. Die folgende Geschichte ist so ein Fall.

Nur ist diese schon so lange her, dass der Fall auf der einen Seite vermutlich gar nicht mehr strafbar wäre und zum anderen sind aus den Lausbuben mittlerweile wohl ältere Herren geworden und ich bin mir gar nicht sicher, ob sie noch alle am Leben sind. Neben der Tatsache, dass Lausbuben eben etwas anstellen müssen, um ihrem Ruf gerecht zu werden, lässt sich auch nicht bestreiten, dass solche immer auf der Suche nach diversen Abenteuern sind. Und was könnte ein größerer Abenteuerspielplatz sein, als ein alter Steinbruch? Und an einen solchen begaben sie sich auch - vernünftigerweise aber an einem Sonntag, wo Danke des Tages des Herrn, weit und breit keine Menschenseele anzutreffen war. Anfangs spielten sie Räuber und Gendarm, dann Cowboy und Indianer – wenn ich auch nicht erklären kann wo genau der Unterschied liegt – dazu bin ich wohl auch schon zu alt und Experte darin war ich ohnehin nie. Jedenfalls ging dieses Spiel eine Weile gut und das Gelände des Steinbruchs war auch groß genug, um sich austoben zu können. Und wenn wir schon bei den Cowboys und Indianern sind, dann weiß man spätestens seit Karl May und Lucky Luke, dass zu einem Cowboy auch immer eine Stange Dynamit gehören. Die Hütte für Explosives hatte man schnell gefunden, denn immerhin waren die Rot- und Weißhäute ja gemeinsam zur Schule gegangen und hatten Lesen und Schreiben gelernt. Blöd, war aber, dass die Erwachsenen doch zu dieser Zeit noch etwas Verantwortungsbewusstsein hatten und die Hütte mit dem Sprengstoff versperrt hatten; wenn man auch weiß, dass diese Vernunft bald im Zweiten Weltkrieg ihr Ende gefunden hat. Wie soll man aber nun in einem Steinbruch richtig spielen, wenn man kein Dynamit hat – echte Spielverderber diese Erwachsenen; also fadisierte man sich eine Weile, bis einer für einen Lausbuben seltenen Geistblitz hatte: Wenn man schon nichts sprengen kann, dann mussten ja wohl die vorhandenen Schienenkarren für etwas gut sein! Gesagt getan, suchte man einen dieser Karren auf und tastete sich erstmals an die Materie heran. Hm, damit das Ding sich bewegt, müssen erstmals die beiden Keile vor den Rädern weg. Theoretisch perfekt, praktisch aber doch noch nicht ausgereift, denn noch rührte sich nichts. Was könnte es haben? Eine etwas eigenartige Stange die rechts am Karren befestigt ist und irgendwie auf ein Rad zu drücken schien – das konnte doch nur eine Bremse sein. Man muss also doch kein Genie sein, um einen solchen Karren ein paar Zentimeter bewegen zu können. Wie konnte man nun aber die Geschwindigkeit etwas erhöhen. Auf der Ebene war es langweilig, da musste schon eine Steigung her – die natürlich sofort ein paar Meter weiter entdeckt wurde und die nach ein paar Metern mitten durch den Tunnel unter der Straße in Richtung Steinbruch führte. So beschlossen die Lausbuben, das Cowboy und Indianer spielen auf die Schiene zu verlegen, immerhin hatte der Westen ja auch ansehnliche Loks und diese wurden doch nicht selten von Indianern überfallen. Der Einfachheit halber, taten sich diesmal jedoch alle Cowboys und Indianer zusammen um mit vereinten Kräften die Lok oder besser den Karren in Bewegung zu setzen. Mit allergrößten Anstrengungen setzten sie den Karren in Bewegung und eh sie es sich versahen, waren sie knapp am Gefälle des Gleises angelangt. Schnell, wie heute die Bobfahrer sprangen sie alle in den Karren und die Fahrt ging los. Das war ja mal etwas, zwar nicht so toll wie eine schöne Explosion, aber ein geschwinder Karren hat auch seinen Reiz. Leider hatten die vereinten Cowboys und Indianer in der Schule nur Lesen und Schreiben gelernt, nicht aber denken, denn keiner ist – bevor man im Karren saß – auf die Idee gekommen, nachzusehen, wo besagte Schienen eigentlich hinführten. Erst spät kam ihnen der Gedanke – eigentlich erst nachdem sie den Tunnel unter der Straße passiert hatten und einige Meter vor ihnen sahen, dass die Schiene dort abrupt endet und dann der Abgrund des Steinbruchs wartete. Angst und Bang war ihnen nun in ihren Knochen und gerade noch bevor ihre „Eisenbahn“ in die Schlucht der Rocky Mountains stürzte, konnten alle noch rechtzeitig abspringen und der Karren stürzte, nachdem er ein paar Meter geflogen war, in den Steinbruch. Anders als ihre „Lokomotive“ die einen Totalschaden hatte, kamen unsere Cowboys und Indianer mit ein paar Schürfwunden weg, aber „Indianer kennt keinen Schmerz“ und Cowboys schon gar nicht. Wenn sie auch keinen Schmerz kannten, Angst natürlich schon, also rannten sie wie vom Teufel gejagt in den nahen Wald, um sich dort zu verstecken, bevor irgendein Erwachsener, aufgeschreckt vom Lärm im Steinbruch zu diesem eilen und sie entdecken würde. Von Lokomotiven waren sie eine Weile geimpft, vom Sprengen wohl nicht, denn im nahen Weltkrieg schafften sie es doch, beinahe die ganze Welt in die Luft zu jagen, wenn auch mit Hilfe einiger Indianer und Cowboys mehr.

Kommentar:

Mia sans ned g´wen : Mitterecker Otto und einige Jugendfreunde spielten einst im Steinbruch in Hintersberg und benutzten dazu eine der Transportwagen, mit dem sie fast verunglückt wären. Überliefert von Mittercker Otto 2004.

Quelle: Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 2.