D´Rädschaubat oda a ned...

Ein kleiner Junge, der auf einem Bauernhof in Mühlwitraun lebte, erfuhr eines Tages durch seine Großmutter von einer Gestalt, die in so schnell nicht mehr los ließ – der bekannten „Rädschaubat Lies“. Oft wurde sie als Mythos, altes Weibergewäsch abgetan, verleugnet und versucht zu verschweigen – immer jedoch belehrte sie die Menschen eines Besseren. Je mehr man versuchte sie totzuschweigen desto größer wurde scheinbar ihre Macht. Vielerlei Erklärungsversuche gab es für ihr Auftreten, aber keine konnte die Wahrheit für sich pachten. Sicher ist nur, dass sie sich noch immer da draußen irgendwo in den Wiesen und Feldern des nächtens herumtreibt und ihre Gier nach jungen Seelen noch lange nicht gestillt scheint. An einem düsteren Herbstabend hörte besagter Junge erstmals von ihr und seelisch sollte er ab diesem Moment keine Ruhe mehr finden. Zu groß war die Angst, dass er sie eines Tages draußen am „Schachigådan“ erhaschen würde, unheimlich strahlte besonders kurz nach Sonnenuntergang dieser mit seiner Unheimlichkeit durch das Kinderzimmerfenster des Jungen. Einen, zwei, drei „Vaterunser“ betete er in manchen Nächten bevor er einschlafen konnte und immer mehr manifestierte sich in ihm die Idee, dass er schon bevor er von der „Rädschaubat“ erfahren hat, der „Schachigådan“ eine Aura des Schreckens auf ihn ausübte. Nicht einmal schreckte er des nachts aus dem Schlaf auf, weil er ein grässliche Schreie aus dem nahen Wald zu glauben vernahm. Schweißgebadet machte er darauf schnell ein Kreuzzeichen und fing wieder zu beten an, bis er wieder einschlief. Unüberhörbar war aber trotzdem ein leises und regelmäßiges Schleifen rund um die Gred des Hauses zu hören. So oft er aber nachsah, war nichts zu sehen – außer einem eigenartigen Leuchten drüben über dem „Schachihoiz“. Jahre gingen ins Land und aus dem Jungen wurde ein Mann – und wenn er auch trotzdem noch ab und zu an die „Rädschaubat“ denken musste, entlockte ihm dies nun eher ein schmunzelndes Lächeln über diesen Aberglauben, als dass er noch fest daran gedacht hätte. Als er dann nach einigen Jahren den Hof von seinen Eltern übernahm, trug es sich dann eines Tages zu, dass er an einem warmen Spätsommerabend in der Nähe des alten Tobels durch den „Schachi“ noch mit dem „Heig´n“ beschäftigt war. Die Sonne war bereits hinter dem Hügel und den Bäumen untergegangen und ein grelles Rot zierte das Firmament. Einen Moment macht er Pause von „z´såmmheig´n“ um sich die Schweißperlen mit dem Ärmel seines Hemdes von der Stirn zu wischen, wobei er kurz inne hielt, um das faszinierende Himmelsrot zu bestaunen. Früher kündigte so ein Rot oft ein nahes Unglück an, angeblich waren beide Weltkriege von so einem roten Himmel angekündigt worden. Zufrieden durchatmend über den fast hinter sich gebrachten Arbeitstag, schwenkte sein Blick entlang des Hügelkamms und da geschah es; als hätte man ihm einen Dolch in den Rücken gestoßen so durchfuhr ihn ein Schrecken. Im Rot des Himmels kaum zu erkennen, stand droben auf der „Rädschaub“, wie ein naher Hügel genannt wird, die Gestalt einer schrecklichen in rot gekleideten Frauengestalt, die einen menschlichen Körper fest umklammert hielt und ihn wie einen Sack zu Boden fallen ließ, als ein knochenmarkdurchdringender Schrei erhallte und der bis dato rote Himmel mit einem Schlage schwarz war. Zur Salzsäule erstarrt vor Angst, rührte sich der Mann keinen Milimeter – denn wie gelähmt schien sein Körper. Langsam konnte er jedoch einen Schritt vor den anderen setzen, aber seine Beine waren schwer wie Blei; und er vernahm plötzlich wieder ein Geräusch wie er es seit seinen Kindstagen nicht mehr gehört hatte. Das Geräusch jenes Schleifens, dass er früher oft um die Gred des Hauses herum wahrnahm. Nun wusste er, dass sie ihm auf den Fersen war. Laut wollte er aufschreien, aber sein Mund schien wie zugewachsen, als hätte er nie Stimmbänder besessen. Fest umklammert schleppte er den Rechen zum „heigen“ hinter sich her, notfalls würde er ihn eben als Waffe verwenden, um sich wenigstens etwas gegen die „Rädschaubat“ wehren zu können. Mit jedem verzweifelten Schritt den er auf seinen Hof zu machte, schien sich dieser zwei Schritte zu entfernen – der schrecklichste Alptraum war für ihn nun Wirklichkeit geworden. Neben dem Schleifen vernahm er jetzt auch noch ein sanftes Fauchen und zwar direkt in seinem Nacken, so dass ihm die Haare zu Berge standen. Er umklammerte seinen Rechen noch stärker, als er plötzlich von einer ungeheuren Wucht zu Boden gestreckt wurde und es Schwarz wurde. Nach einer Weile kam er in den Armen seiner Ehefrau inmitten seiner Mägde und Knechte wieder zu sich, die meinten er hätte einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten; denn Mitten unter der Arbeit brach er plötzlich zusammen. Noch etwas entkräftet schleppte er sich gestützt von seiner Frau nach Hause und Mägde wie Knechte folgten ihm. Nach einer Jause, während dieser der Bauer kein Wort sagte sondern nur vor sich hinstarrte, stand er auf, ging zum Stubenfenster und blickte hinauf in Richtung „Schachi“. Blutrot war der Himmel zu sehen, und ein eigenartiges Licht lag über dem Wald. „I glaub heit is bessa wånn ma olli båld as Bett geh´n, denn morg´n wiad´s sicha a långa Tåg!“ sagte er darauf zu den Anwesenden und seinen Rat befolgend begaben sich bald alle ins Bett; wenn auch mancher nicht gut schlafen konnte, denn eigenartige Geräusche waren vom Wald zu hören, und mancher vernahm sie auch auf der Gred rund um das Haus. Irgendetwas würde in dieser Nacht noch geschehen!?

Kommentar:

D´Radschaubat oda a ned: Einem Enzenkirchner soll die Rotschaubat Lies einst am Schachigädan begegnet sein und ihm eine Heidenangst eingejagt haben. Überliefert von Allmannsberger Mathilde nach einer Erzählung von Samhaber Maria 2006.

Quelle: Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 2.