Vagessts des blede Rauka...

Ohne einen Namen zu erwähnen will ich im folgenden eine kleine tragisch und gleichzeitig unheimliche Geschichte erzählen: Ich weiß nicht mehr genau wann es passierte, aber es ist schon eine Weile her, da machte ich mich eines nachts vom Amesberger auf nach Hause. Es muss eine Frühlings- oder Sommernacht gewesen sein, als ich die Nikotinhölle der Disko hinter mich gebracht draußen im Freien endlich wieder tief durchatmen konnte. Die Luft war dabei genauso rein wie die Nacht klar war und der sichelförmige Mond strahlte in der Nacht. Heiter und gleichzeitig glücklich und zufrieden mit meinem Leben ging ich los. So wie jedes Mal vielen mir in diesem Moment wieder die gruseligsten Geschichten ein, die sich einst rund um Enzenkirchen zugetragen haben sollen – nicht ahnend, dass ich bald selbst Teil einer solchen werden würde. Thronend beherrschte die Pfarrkirche die Nacht und genauso wie sie für manche Menschen immer tröstlich war, so Furcht einflößend und gebieterisch wirkte sie auf mich. Selig die arme Seele die eines Tages das Pech haben wird, in dieser Kirche über Nacht eingesperrt zu sein. Um sie herum lagen die versteckten Gräber mit Leichen, wie zerrissene Soldatenleiber auf einem Schlachtfeld, grünes Gras ihre Hilfeschreie zum Himmel dämpfend. Eines Tages werden sie sich aus ihren Gräbern erheben, um den zu richten der sie gerichtet. Unaufhaltsam werden sie über die Flure, Felder, Wiesen, Auen und Wälder marschieren und Verderben über das Land bringen. In Gedanken versunken erschrak mich eine Stimme in unmittelbarer Nähe, die aus einem alten Haus drang, an dessen Fenster zur Straße eine alte Frau saß und genüsslich mitten in der Nacht eine Zigarette rauchte und ein Gläschen Rum trank. Neugierig fragte sie mich, wer ich denn sei und was ich denn gemacht hätte. Kurz und prägnant antwortete ich ihr, um dann um so schneller meinen Weg fortzusetzen. An was ich mich aber noch erinnern kann, ist dass im Gestank des Nikotins auch noch ein anderer lag, der süß und verbannt roch. Leise konnte ich noch vernehmen, dass mir die alte nachrief, dass wir uns eines nachts schon Mal wieder sehen würden. Mit rasendem Herzen und Schweißperlen auf der Stirn gelangte ich dann nach Haus und konnte erst wieder tief durchatmen, als ich die Haustüre fest hinter mir verschlossen hatte. Aber der Schrecken dieser Nach war noch nicht zu Ende, denn kaum war ich eingeschlafen plagte mich ein schrecklicher Alptraum, in dem besagte Frau sich nach dem Gespräch mit ihrer Zigarette auf ihr Sofa sah um fern zu sehen, dabei einschlief und unter Höllenqualen verbrannte, dass ihr Polyesternachthemd sich mit ihrer Haut verschmolz. Laut schrie sie noch einmal: „Eines nachts werden wir uns wieder sehen!“ und ich erwachte schweißgebadet. Wieder etwas beruhigt auf mein Kissen zurückgesunken, nachdem mir bewusst war, dass es nur ein Alptraum war, erschrak ich gleich erneut, als ein Bild in meinem Zimmer von der Wand fiel und der Rahmen am Boden zerbarst. Nächsten Tag erfuhr ich, dass besagte Frau in der letzten Nacht tatsächlich verbrannt war, was mich schon stark beunruhigte. Was mich aber mehr erschreckte, war der Zeitpunkt: 23:00 Uhr abends! Zu dieser Zeit war ich noch in der Disko.

Kommentar:

Vagessts des bleda Rauka: Die Geschichte soll an die alte Obernkråmerin erinnern, die vor einigen Jahren unglücklich verbrannte, nachdem sie mit einer Zigarette auf dem Sofa eingeschlafen ist, oft saß sie bis spät in die Nacht am Fenster und plauderte mit jedem der daran vorbeiging.

Quelle: Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 2.