Säbstmörda keman net an Himmö…

Immer dieses Geräusch, in regelrechten Abständen ist es immer zu vernehmen. Nicht wie ein Kratzen klingt es, sondern…? Vielmehr wie ein Schleifen. Ein Schleifen im gleichen Takt und dass schon sicher seit über einer Stunde. Eigenartig, dass man Geräusche in der Nacht mehr wahrnimmt als am Tag, und vor allem in dieser klaren Herbstnacht. Was könnte es wohl sein, dachte sich ein Mann in Straßwitraun schon die ganze Zeit über, während er wach bei offenem Fenster im ersten Stock seines Hauses im Bett lag. Wieder war es zu hören. Es musste vom Wind hervorgerufen sein, der ganz sanft und leise ging, aber wohl außer diesem Schleifen sonst keinen Ton erzeugte. Nicht einmal das Schnarchen seiner Ehefrau nahm er war. Wie der Takt eines Metronoms hypnotisierte es sonor seine Gedanken. Und jedes Mal wenn der Ton taktvoll erklang, durchzuckte ein Gedankenblitz sein Gehirn. Nur Momentaufnahmen von etwas Eigenartigem. Köpfe und Gesichter von Menschen, Fratzen die ihn unheimlich anstarren, Augenhöhlen schwarz wie Pech, Männer wie Frauen ohne Hoffnung ohne Wiederkehr. Und dazwischen immer wieder ein erschrecktes Aufblinzen seiner Augen und der Blick gerichtet auf das offene Fenster am Ende seines Bettes und das leise Tänzeln der Store im Wind und immer wieder dieses Geräusch. Kaum nach Schlaf ringend, wieder diese Fratzen, dunkle Gestalten und mit einem Male Fetzen von Wörtern und Silben ohne Sinn und Zusammenhang, als wollten sie ihm etwas sagen. Eine Fratze ihren Mund zu einem Schlund aufreißend schrak er auf und erblickte die Umrisse eines Raben, der nun an seinem Fenster hockte und seinen Schnabel auf dem Fensterstock wetzte. Zwischen dem Wetzen hörte er wieder dieses Schleifen. Wie in Trance richtete er sich auf und stellte den rechten Fuß auf den Boden. Ein lautes Knarren der Diele zerfetzte die Stille der Nacht und die Kälte des Bodens ließ seinen ganzen Körper zittern. Willenlos setzte er einen Fuß vor den anderen, bis er ans Fenster gelangte, wo der Rabe noch immer seinen Schnabel wetzte und von dem Mann nicht im Geringsten Notiz zu nehmen schien. Und wieder dieses Schleifen, von unten, irgendwo vom Hofe oder draußen von der Straße. Blutrot grinste die Fratze des Mondes vom dunklen Firmament und verhöhnte die Nacht, während der Rabe weiter seinen Schnabel wetzte. Erst als sich blitzschnell eine dunkle Wolke am Mond vorbei schob, schrak er mit einem Male auf und brachte den Mann nahe an einen Herzinfarkt, aber genauso schnell wie die Wolke den Mond verdunkelt hatte, so schnell war sie schon wieder verschwunden. Mit entsetzen erblickte der Mann die Eibe, die drunten mitten in der Kurve durch die Ortschaft stand. An ihr hing der leblose Körper eines Mannes, auf dessen linkem Auge der Rabe herum pickte, während im selben Moment ein lautes Donnergrollen die Stille zerfetzte, gefolgt von einem grellen Blitz der für den Bruchteil einer Sekunde den ganzen Schrecken kund tat und den Mann erkennen ließ, dass es sein Nachbar war, der dort an der Eibe hing und dessen blasse, grelle Fratze ihn anstarrte und er für einen Bruchteil glaubte, des Toten Mund würde sich kurz öffnen und ein lautes Kreischen von sich geben, aber es war das Krächzen des genannten Raben, der vom plötzlich auf die Erde niederprasselnden Regen die Flucht ergriff. Eigentlich hätte der Mann jetzt aus seinem Schlafzimmer über die Stiege hinunter und die Haustüre hinaus ins Freie eilen sollen, um die Leiche von der Eibe zu nehmen und eigentlich wollte er das auch, aber irgendeine unheimliche Macht steuerte ihn wie eine Marionette zurück zu seinem Bett, legte ihn hin und eine Geisterhand deckte ihn zu, während er noch immer dieses Schleifen vernahm. Es war das Schleifen der Schuhe, des an der Eibe baumelnden Leichnams, auf dem Boden, den sie nicht ganz erreichten, das sich mit dem Prasseln des Regens, dem Donner und dem Krächzen der Raben zu einer Symphonie des Grauens verbanden. Wie in Narkose fiel der Mann, oben in seinem Zimmer, in einen tiefen Schlaf. Erst am nächsten Morgen wurde er von einem lauten Schrei einer Frau aufgeweckt, der unten von der Eibe erklang. Die Frau des Erhängten hatte ihren Mann, neben dem sie am frühen Morgen nicht erwacht war, gesucht und endlich gefunden. Baumelnd an der Eiche mit zwei dunklen Höhlen dort wo einst seine Augen waren. Mit lautem Schluchzen und riesiger Trauer schnitt man den Toten vom Baum und bahrte ihn in der Kapelle in Straßwitraun auf, die der Pfarrer von diesem Tag an nicht mehr betrat, denn nicht nur, dass er es mit einem unseligen Selbstmörder zu tun hatte, nein, Besagtem wurden von zwei Raben auch noch seine Augen ausgehackt, ein Zeichen dafür, dass er entweder etwas Schlechtes getan oder etwas ziemlich Böses tatenlos mit an gesehen hatte, jedenfalls werden wir es niemals erfahren; auch nicht im Jenseits, denn Selbstmörder kommen bekanntlich nicht in den Himmel!?

Kommentar:

Säbstmörda keman ned an Himmö: Ähnlich wie von dem Haselbach-Kreuzstöckel wird auch von der Kapelle in Straßwitraun erzählt, dass sie ein zweites Mal geweiht werden musste, weil man dort einen Selbstmörder aufgebahrt hatte. Überliefert von Killingseder Maria 2005.

Quelle: Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 2.