Da Tuamstoan…

So wie jeden Abend begab sich im 19. Jahrhundert eine Magd in einem Gut in der Ortschaft Hamet in den Stall, um die „Wegåracht“ zu tätigen. Und eigentlich war es so wie jeden Abend. Erst als sie nach getaner Arbeit aus dem Stall trat und sie dort den alten Kater liegen sah, sollte ein kleiner Alptraum beginnen. Er war ein gut genährter, schwarzer Kater, der immer sehr zutraulich war und kaum Schwierigkeiten machte. Immer streunte er irgendwo im Umkreis des Hofes herum, aber niemals weiter und somit war er auch kaum von wilden Tieren oder Jägern gefährdet. Nun aber, lag der Kater vollkommen zerschunden und zerkratzt, beinahe regungslos vor dem Stall und rang um sein Leben. Einzig seine Augen zeigten noch etwas Leben und das Schlagen seines Herzens war auf seinem schwarzen Fell zu sehen. Was war ihm wohl zugestoßen, fragte sich die Magd, hob ihn sanft auf und trug ihn ins Haus, wo sofort die Kinder erschrocken und voller Mitleid auf sie zu rannten und auch der Bauer und die Bäuerin sichtlich Anteilnahme zeigten. Lange dauerte es auch nicht, dass auch der Knecht hinzu kam und die Großmutter aus ihrem Schlaf am Kachelofen erwachte. Alle versammelten sich um den Tisch in der Stube, worauf der Kater lag und sich kaum regte. Sofort begannen die Mutmaßungen, was dem armen Tier wohl passiert sein könnte, wenn auch keiner eine Antwort wusste. Plötzlich trat der Großvater in die Stube und sagte zu ihnen, ob sie es nicht hören könnten. Nun hatte er die volle Aufmerksamkeit, nur die kleine Tochter streichelte noch immer den armen Kater und legte ihren Kopf auf seinen Bauch um sein Herz schlagen zu hören. Neugierig folgten die anderen dem Großvater nach draußen in den Hof, wo dieser in Richtung Gaiserwald zeigte und sie sofort wussten, was er meinte. Wildes Geheul von Hunden war von dort zu hören, so wie das Brausen des Windes. „D´Wüde Jägd“ sagte der Großvater und im selben Moment zuckten die zwei Buben sichtlich erschrocken zusammen. „S´Wüd Gjoad“ wiederholte der Knecht in seiner Mühlviertler Mundart. „Iatzt wissma wer uns an Kåta dawischt håt!“ gab die Magd mit sichtlich gedämpfter Stimme von sich. „Is wieda soweit!“ stammelte die Großmutter hervor. „Is a wieda z´ruck!“ setzte sie fort. „S´letzte Mål hån i eahm ois Ki´ g´hert, spada hån a ma denkt dass i des ois nua tramt hå´.“ Die Großmutter war schon in dem Bauernhaus geboren. „Drob´n am Turmstoan werd´n sa se wieda vosåmmön, so wia ma des mei´ Großvåda dazöt håt.“ Dieser war nämlich einst beim Holzarbeiten von der Wilden Jagd überrascht worden und unbemerkt von ihr schlich er sich hoch zum Turmstein und sah dort den Höllenfürsten umringt von schwarzen Tieren. „Des schaun ma si ån!“ brach der Knecht hervor und gemeinsam mit dem Bauern machten sie sich auf den Weg Richtung Gaiserwald. Nachdem sie dem Wind trotzend dem Feldweg gefolgt waren, wurde es im Wald selber gespenstisch still. Nichts rührte sich, kein Windchen wehte, kein Knacksen war zu hören. Neben ihnen befanden sich diese eigenartigen Gesteinsformationen, die wie Mauerwerke aussahen und dunkel und bedrohlich war der kleine Steinbruch links neben dem Weg anzusehen, soviel sie jedenfalls von ihm erkennen konnten. Kurz glaubte der Knecht droben auf dem Felsen über dem Steinbruch einen Mann sehen zu können, der sie anstarrte. Dem Bauern sagte er aber nichts davon, um ihn nicht zu erschrecken. Jetzt, wo er so nah dran war, die Wilde Jagd endlich zu sehen, wollte er sich nicht mehr von ihrem Vorhaben abbringen lassen. Schon als Kind erzählte man ihm viel von der Wilden Jagd in seiner Mühlviertler Heimat und auch welches Unglück sie oft mit sich brachte. Reitend auf einem schwarzen Bock, soll der Höllenfürst selbst, jenen Scharr von toten und lebenden Tieren anführen. Um nichts in alles in der Welt hätte er sich dieses Schauspiel entgehen lassen. Als sie nicht mehr weit vom Turnstein entfernt waren vernahmen sie plötzlich wieder das Geheul der Hunde, verbunden mit dem Gejaule von Wölfen. Schlottrige Knie hatten sie beide, aber so wie meistens, peitscht einen in so einer Situation die Neugier voran. Kurz vor der Lichtung vor dem Turnstein stoppten sie und versteckten sich hinter einem Gebüsch und zwei Bäumen und schauten und lauschtem dem wilden Treiben.

Unzählige schwarze Hunde, Katzen, Hähne, Hasen, usw. waren rund um den Turnstein versammelt und lauschten den Worten des Höllenfürsten, der mit schrecklichen Gesten und abscheulicher Mimik voller Hass blasphemische Tiraden von sich gab, wenn die Männer auch nicht verstanden was er sagte, sprach er doch in einer ihnen unbekannten Sprache. Nachdem der Höllenfürst am Ende war, sprangen dunkle Schatten aus dem nahen Wald und den beiden Männern im nahen Gebüsch bot sich ihnen ein Schauspiel. Mit einem Ruck rissen die Schatten den Turmstein, auf den soeben noch der Höllenfürst gestanden war hoch und darunter bot sich ein Schlund zur Hölle. Erneut sprangen Schatten aus dem nahen Wald und diese peitschten die versammelten schwarzen Tier in das schwarze Loch. Als alle Tiere darin verschwunden waren, deutete der Höllenfürst auf das Gebüsch hinter dem sich die beiden Männer befanden, um den Schatten anzuzeigen, dass sie noch zwei Gestalten vergessen hätten. Jetzt ergriff die beiden schreckliche Angst und sie liefen los, wie sie ihr Lebtag noch nicht gerannt waren. Über Stock und Stein versuchten sie nun ihre Seelen zu retten, während die dunklen Schatten hinter sie herjagten. Nur noch einige Meter trennte die beiden Männer von der Schopfkapelle, wo sie in Sicherheit wären. Ein heftiges Brausen erhob sich, und ein Sturm blies gegen ihre Laufrichtung, um sie aufzuhalten. Wie vorhin die Tiere wurden nun die Wolken über den Himmel gepeitscht, während die Männer mit all ihren Kräften gegen den starken Wind ankämpften. Endlich hatte es der Bauer geschafft, die Tür zur Schopfkapelle aufgerissen und endlich in ihren geweihten Mauern. Auch der Knecht hatte den Knauf der offenen Tür schon fest umklammert, als ihn die Schatten einholten. Mit einem lauten Knall schlug die Tür der Kapelle zu und der Knecht wurde samt dem Türknauf von den dunklen Schatten davon gerissen. Nie mehr wurde der Knecht wieder gesehen. Selbst oben am Turnstein fand man keine Spur von ihm, als man ihn am nächsten Morgen suchte, einzig die kleine Tochter des Bauern behauptete, dass sie seine Stimme von irgendwo unter dem Turnstein vernommen hat.

Kommentar:

Da Tuamstoan: Auf den alten Karten ist bei Gaisbuchen auch die sagenhafte Burg Wolfstein oder Hochschloss eingezeichnet. Die Sage von dieser verschollenen Burg wird von Pillwein, Samhaber und Depiny erwähnt. Pillwein bemerkt: „Die auf der Kabinettskartei unter dem Namen Wolfstein aufgeführte Ruine war der Sage nach ein Schloß, bey Mannsgedenken jedoch immer ohne Spur einer dagestandenen Mauer.“ Aufgezeichnet von Wimmer Gottfried im Heimatbuch von Natternbach 1987, S. 43.

Quelle: Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 2.