Intairdische Gang z´Angsiaß…

Noch heute liegt das „Åingaguat z´Angsiaß“ etwas abgelegen von den anderen Häusern der Ortschaft. Im 19. Jahrhundert trug sich dort in der Nähe etwas seltsames zu. Angeblich spukte es damals zwischen den Ortschaften Angsüß und Heitzing, denn als einmal ein Mann des nachts auf dem Weg entlang der Witraun ging, vernahm er von Zeit zu Zeit ein Rumpeln und irgendwelche Stimmen die aus der hohlen Erde klangen. Ganz geheuer war ihm die ganze Angelegenheit zwar nicht und daher behielt er sie für sich. Es dauerte nicht lange, da war eine Magd von Heitzing dort unterwegs und auch sie vernahm ähnlich Geräusche. Für einen kurzen Moment schien es ihr gar, als stünde oben auf dem Hügel in der Abenddämmerung eine weiße Frau, die aber im nächsten Moment wieder verschwunden war. Einige Wochen später arbeitete die Mitterhauserin in ihrem Prägarten, sie wollte den Baumstumpf eines gefällten Apfelbaumes ausgraben, als sie in der Erde einen alten metallenen Kelch fand und als sie weiter grub auch noch ein Kreuz und seltsame Mauerreste. Als sie diese ihrer Großmutter zeigte, sah diese sie ernst an, bekreuzigte sich und erzählte ihr davon, dass man in einsamen Nächten, wenn auch selten, sie selbst hat es in ihrem langen Leben nur einmal vernommen, dumpfen Messgesang hören könne. Angeblich sei einst dort eine Kapelle oder Kirche gestanden, die aber abbrannte oder zerstört wurde. Schon ihre Mutter schwieg sich lieber darüber aus. Nach etwa einem Monat passierte es dann, dass bei Feldarbeiten unweit des Åingagutes zwei Pferde mitten im Feld durch die Erde brachen, dass sie erst mit Hilfe der Nachbarn wieder frei kamen. Die Pferde waren in einen alten Gang gebrochen, der sich dort befand. Niemand war aber mutig genug in den Gang hinunter zu steigen und ihm zu folgen, eindeutig ging nur hervor, dass die eine Seite in Richtung Heitzing führte und die andere nach Angsüß. Mehr konnte man nicht feststellen, denn im nächsten Moment zog ein ungeheures Gewitter auf und stand mehr als vier Stunden über der Gegend und krachte und blitzte auf sie hernieder. Erst als die Sonne untergegangen war hörte es auf und verdächtige Stille breitete sich aus und der Vollmond tauchte alles in fahles Licht. Mit einem Male ertönten draußen leise Glocken und ein Gemurmel ertönte, als würde irgendwo eine Messe gefeiert. Mehr als zwei Stunden ging das so dahin und während dieser Zeit versteckten sich die einen Bewohner in ihren Kammern und wagten nicht einmal den geringsten Blick nach draußen, während andere neugierig in die Nacht starrten. Mit einem Male tauchten droben auf dem Hügel zwischen Angsüß und Heitzing eine kleine Gruppe von Menschen auf, von denen aber im Mondlicht einzig ein Schatten zu sehen war. Fast schien es, als würden sie eine Art Prozession machen. Grässliche Vögel kreischten plötzlich durch die Nacht, die Tiere im Stall wurden unruhig und die Hunde begannen zu heulen. Nun war es den Menschen zu viel geworden und auch die letzten Neugierigen schlossen eiligst ihre Fenster, versammelten sich in der Stube und begannen zu beten. Bis zum ersten Sonnenstrahl dauerte die unruhige Nacht und kaum hatte der Tag wieder obsiegt und war draußen Ruhe zurückgekehrt, eilten alle Dorfbewohner zu jener Stelle wo am Vortag die Pferde eingebrochen waren. Noch immer war der Geheimgang zu sehen. Ohne auch nur darüber nachzudenken begannen alle zusammen die beiden Gänge wieder zuzuschütten. Alle werkten dabei, als müssten sie das Tor zur Hölle verschließen. Erst am späten Nachmittag, nachdem sie sogar einen kleinen Hügel an der Stelle aufgehäuft hatten, waren sie etwas erleichtert. Gespannt wartete man auf den Sonnenuntergang und darauf was geschehen würde. Und zu ihrem Glück war nichts, keine unheimlichen Vorgänge wie in der vorhergehenden Nacht passierten – keine Gespensterprozession, kein Krächzen und kein Geheule von Hunden – nur Stille. Niemals wieder sollte jemand wagen diese Gänge zu suchen schworen sie sich, aber das Gerede um sie verstummte bis heute nicht. Einige Jahrzehnte nach jener Zeit, kurz vor dem Ersten Weltkrieg, wollten einige neugierige Männer aus Angsüß erneut dem Geheimnis auf die Spur gehen und begannen mit Grabungsarbeiten. Bevor sie ihr Vorhaben jedoch vollenden konnten, wurden sie zum Kriegsdienst eingezogen und keiner kehrte mehr von der Front zurück. Einige Ansüßer können sich aber noch heute an jene Senke erinnern, wo einst die Pferde einbrachen und einigen Spazierengehern, die entlang der Witraun zwischen Heitzing und Angsüß unterwegs waren sollen auch schon von eigenartigen Geräuschen unter ihnen aus der Tiefe, oder an der Seite des Weges berichtet haben. Vielleicht ist das aber alles auch nur Seemannsgarn, oder besser Enzenkiringa Gschichtln!?

Kommentar:

Intairdische Gång z´Ångsiaß: Bei den Feldarbeiten Ende April 1895 wurde beim Aichinger in Angsüß eine sonderbare Entdeckung gemacht. Bei der Ackerarbeit traten die Pferde durch und gerieten in einen unterirdischen Gang, sodass sie mit Hilfe der Nachbarn wieder ausgegraben werden mussten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich um einen Teil jener Gänge handelt, die ursprünglich zu dem in Angsüß bestehenden Fürstensitz der Aniona gehörten, der aber im Laufe der Jahrhunderte unterging. Ortschronik von Diersbach 1895.

Quelle: Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 2.