Vom Weia vaschluckt...

Immer schon strahlte jener kleine Weiher, der sich vor dem Haus des Mädchens befand, etwas unheimliches aus und so gut sie es konnte vermied sie es auch nur in die Nähe des Selben zu gelangen. Es gibt einfach Orte die man gerne meidet, aus welchem Grund auch immer. Bei dem kleinen Mädchen aus Matzing war es eben jener kleine Weiher unweit ihres Hauses; so oft sie nur in die Nähe dieses Weihers kam lief ihr ein kalter Schauder über den Rücken hinunter und ihr wurde Angst und Bang. Unbeschreiblich jenes Gefühl des Unbehagens. Eigenartig auch, wenn man bedenkt, dass das Mädchen damals erst drei Jahre alt war. Könnte es mit dem Weiher eine ähnliche Bewandtnis gehabt haben, als mit der „Teufelsläcka“ in Putzing, oder der bekannten „Wäschläcka“ in Ruprechtsberg? Gruselig können solche Gewässer ja schon sein, vor allem an dunklen Tagen und düsteren Nächten. Damals war wohl auch einer jener bewölkten, wie man im Volksmund sagt „schiach´n Tåg“. Die Kleine war aber trotzdem draußen unterwegs, um etwas zu spielen – zuerst Tempelhüpfen, was aber alleine langweilig ist, dann mit einem Hulahupreifen, bei dem sie aber noch etwas üben musste – und schließlich mit jenem Ball, den sie erst vor einigen Tagen von ihrer „Godn“ geschenkt bekommen hat. Leise und ziemlich unbemerkt fing es dabei etwas zu nieseln an, was aber die Spielfreude des Mädchens nicht trüben konnte. Hervorgerufen durch ihre Freude am Spiel kam sie dem unheimlichen Teich immer näher, ohne es natürlich bewusst zu bemerken. Während sie so spielte sagte sie immer wieder einen alten Kinderreim:

Kindl, i liab di´,

Kindl, i wiag di´,

Stü´, stü´, stü´, sunst reißt a de´ Pfoad,

Beisst Muatha und Moad,

Und sitzt si af´n Schrät,

da Teifl und da Täd!

Ein leiser Hauch von Wind erhob sich gleichzeitig unbemerkt und trug das Schicksal des Mädchens davon und mit ihm jenen Ball, der ihr als Spielzeug diente. Rollend trieb der Wind den Ball durch das kleine offene Tor, dass normalerweise gemeinsam mit einem Zaun den Weiher umschloss. Normalerweise war das Tor auch immer verschlossen, waren doch die Eltern des Mädchens immer mehr als bedacht darauf dieses geschlossen zu halten, um ihre Tochter zu schützen. Diesmal aber hatten sie übersehen es zu schließen, und das Schicksal nahm seinen Lauf. Ihre Angst vergessend trat das kleine Mädchen durch das Tor in die Nähe des Weihers, in dessen Wasser ihr Ball vom Wind angetrieben gerollt war. Vorsichtig und äußerst bedacht ergriff es den Ball, erschrak aber kurz, als es im Spiegelbild des Wassers die Umrisse einer alten, hässlichen Frau erblickte. Das Mädchen wich ängstlich zurück; den Ball jedoch bereits fest mit ihren Händen umschlossen. Dunkle Wolke verzogen sich und die Fratze der Alten im Wasser verschwand. Plötzlich aber erhob sich in der erst vor kurzem eingetretenen Stille eine kleine Bö; die aber soviel Kraft hatte, das Tor hinter dem Mädchen zuzuschlagen, diesem einen Schubs zu geben und in das Wasser des Weihers zu stürzen. In diesem Wasser rang das kleine Mädchen noch eine Weile um ihr Leben, bis es sich schließlich dem Tod ergeben musste. Konnte es sein, dass sie von Frau Beri als Opfer auserkoren wurde?

Kommentar:

Vom Weiher vaschluckt: 1920 verunglückte die kleine Katharina beim waschen ihrer Puppenkleider. Es war ein kleiner Teich in der Nähe des Kreuzes. Katharina war 3 – 4 Jahre alt. Das Kreuz wurde von Fam. Weinberger aufgestellt. Aufgezeichnet von Gumpinger Conny 2004.

Quelle: Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 2.