Da Weitaleita…

Mitte März 1938 begann eine schwere Zeit für die Österreicher und kaum einer hatte nicht unter dem Regime der Nazidiktatur zu leiden; vor allem das Denunziantentum war an der Tagesordnung. Ständig musste man darauf achten was man zu wem sagt und wer einem gerade zuhört. Sicherlich waren nicht alle Enzenkirchner so, einer jedoch ragte dabei besonders hervor und ist vielen Enzenkirchnern bis heute in Erinnerung geblieben. Egal wo man sich befand, nirgends war man vor ihm sicher. Nicht einmal die Kinder wurden von ihm verschont. Tagtäglich marschierte er voller Stolz durch den Ort und sprach jeden darauf an, der ihn nicht mit „Heil Hitler!“ grüßte. Verabsäumte es dann hin und wieder einmal einer, dann sagte er immer den selben Satz: „Das werde ich weiterleiten!“, deswegen hieß er in der Gemeinde bald nur mehr „da Weitaleita“. Jahr für Jahr verstrich und mit dem nahen Ende des schrecklichen Zweiten Weltkriegs wurde auch unser „Weitaleita“ immer angespannter und nervöser. In den letzten Kriegsmonaten sah man ihn im Ort immer seltener und mit einem Male gar nicht mehr. Die alliierten Befreier waren immerhin nicht mehr weit und das Ende des Naziregimes nah. Schließlich war es endlich so weit, das Deutsche Reich unterzeichnete die bedingungslose Kapitulation und Österreich war wieder eine eigene Nation. Schon vorher waren in Enzenkirchen US-Soldaten der 65. Infanteriedivision eingetroffen und begannen mit ersten Aktionen der Entnazifizierung. Bald, so warteten die Gemeindebürger Enzenkirchens gespannt, würden sie auch den „Weitaleita“ schnappen. Dieser aber war bereits schneller als die Alliierten gewesen, denn bereits Anfang Mai, als die US-Truppen über den Inn kamen, hatte er Selbstmord begangen. Seine Leiche wurde erst nach ein paar Tagen gefunden, als ein Einheimischer US-Soldaten zu seinem Haus führte – Denunziantentum mit umgekehrtem Vorzeichen also! Man konnte also nichts anderes mehr tun, als den Pfarrer und Bestatter zu holen, um ihm den letzten Segen zu geben und seine Beerdigung vorzubereiten. Als man den Toten dann aus seinem Haus trug, kam ein Junge hinzu, der mehr als einmal von dem Toten zu Lebzeiten angeschrieen wurde, weil dieser ihn nicht mit dem Hitlergruß grüßte, obwohl dieser seit Kleinkindestagen an eine Lähmung des rechten Arms aufwies, und ihm fiel nur ein lapidarer Satz ein: „I glaub iatzt werd´n s´eahm weitaleiten!“.

Kommentar:

Da Weitaleita: Während des Zweiten Weltkriegs soll es einen Enzenkirchner gegeben haben, der in der Tat immer zu jedem sagte „das werde ich weiterleiten“, der ihn nicht mit der Hand zum Hitlergruß grüßte. Überliefert von Nöbauer Hedwig 2006.

Quelle: Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 2.