A Säbstmördakapän is ned heilig…

Beruhigende Stille lag über dem Witrauntal, als die Sonne hinter dem Horizont verschwunden war und die Nacht langsam ihren Mantel über das Firmament ausbreitete. Hart hatte die Frau den ganzen Tag über auf dem Feld geschuftet, war dann schnell in ihr Stüberl um sich frisch für die Maiandacht zu machen. Schön war es wieder, dachte sie sich, und verplaudert hatte sie sich ebenfalls ein wenig und daher hatte sie die Dunkelheit etwas überrascht. Wenn es auch schon spät war, hatte sie aber trotzdem keine Eile, denn so einen schönen Frühlingsabend kann man doch nur genießen, also schlenderte sie langsam die Schindgruab´n entlang, in Richtung Straßwitraun, wo sie bei einem Bauern im Dienst stand. Oben, am Ende der Schindgruab´n kam ihr ein Knecht des Haselböckgutes entgegen, der sie kurz etwas erschrak, da sie ihn in der Abenddämmerung nicht gleich sah. Freundlich wünschte sie ihm „A guade Nåcht!“, der aber sah sie nur starr mit Höhlen aus Augen an und brachte keine Silbe von den Lippen, sondern bog abrupt nach links ab und auf einen Weg der einst zum Enzenkiringahoiz führte und von dem ein Weg zum Haselböckgut abzweigte. Auf der Hügelkuppe blieb er stehen und rührte sich nicht mehr, sondern blickte wie zu einer Salzsäule erstarrt in Richtung Haselböckgut. Im selben Moment erhob sich aus dem Nichts eine Windbö, die zunehmend stärker wurde. Sie atmete nach dem Schreck den ihr der Knecht eingejagt hatte, tief durch und genoss in vollen Zügen die gute Frühlingsluft, wobei sie ihre Blick schweifen ließ und unscharf in der Dämmerung vom Haselböckgut eine Gruppe von Menschen den Weg in Richtung Kreuzstöckl gehen sah. Vorne weg trugen vier Männer etwas und zwei Frauen folgten ihnen mit Petroleumlampen. Was die Männer trugen, konnte sie nicht erkennen, aber ihr Herz pochte plötzlich etwas schneller und auch die Ruhe verschwand erneut. Um diese Uhrzeit? Was könnten die jetzt noch zu tragen haben? Und warum beobachtet sie der Knecht von der Kuppe aus? Hastig drehte sie sich um, und in der Tat, er stand noch immer unbeweglich dort. Hinter ihm leuchtete der Vollmond und dunkle Wolken wurden vom Wind an ihm vorbeigejagt. Richtig mulmig war ihr nun. Sie war sich zwar nicht sicher, aber es schien als würden die vier Männer ein größeres Möbelstück entlang des Weges schleppen. Oder war es eine Kiste? Ihr Schritt wurde mit ihrer Neugier größer und ihre Augen konzentrierten sich stärker. In der Tat, es musste eine Kiste sein. Lauter als sonst klang der Schritt über den Steg der einst über den Haselbach führte und wie gelenkt richteten die vier Männer mit der Kiste und die beiden Frauen mit den Petroleumlampen gleichzeitig ernste Blicke auf sie. Hatte sie die Gruppe bei etwas ertappt? Es war keine Kiste. Nein, es war ein pechschwarzer Sarg den die Männer des Weges schleppten. Schnell bekreuzigte sie sich. Es musste jemand beim Haselböck verstorben sein. Sofort begann sie ein Vaterunser zu beten, wurde aber sofort unterbrochen, als sie in der Ferne eine Ziege meckern hörte. Nun bekreuzigten sich auch die zwei Frauen, während die vier Männer den schwarzen Sarg vor der Front des Kreuzstöckels niedersetzten und ein Kreuzzeichen machten. Nachdem die Frauen die Petroleumlampen an das Ende des Sarges gestellt hatten, begann die Gruppe gemeinsam den schmerzhaften Rosenkranz zu beten und gingen den Weg zurück zum Haselböckgut. Sie würdigten den Toten keines Blickes und auch die Frau, die jetzt nah am Kreuzstöckl war, ignorierten sie. Schneller atmend und angespannt war die Frau nun kurz vor der unheimlichen Szenerie. Am liebsten wäre sie zwar davongelaufen, aber um Nachhause zu gelangen musste sie an dem Sarg vorbei. Gleichzeitig mit der Angst stieg aber auch die Neugier, denn, wer würde sich wohl in dem Sarg befinden? Die Antwort war erschreckend. In dem Sarg lag blutüberströmt der Knecht des Haselböck, jener Mann, dem sie noch vor einer Minute begegnet war und der…Sie zitterte am ganzen Körper und gefasst wandte sie ihren Blick auf die Hügelkuppe. Nicht der von ihr vermutete Geist des Knechts stand dort, sondern eine pechschwarzer Ziegenbock und reckte seine beiden Hörner ins Licht des Vollmondes. Am nächsten Tag wurde der Knecht in der Selbstmörderecke des Friedhofes beerdigt, aus ungeklärten Umständen hatte er sich mit der Pistole des Bauern ins Herz geschossen. Seine Liegestatt verbrannte man einige Tage später an einem Kreuzweg und das Haselböckkreuzstöckel musste vom örtlichen Pfarrer erneut eingeweiht werden, denn die Tatsache, dass davor ein Selbstmörder aufgebahrt wurde, entweihte die heilige Stätte.

Kommentar:

A Säbstmördakapän is ned heili´ : Das Haselbach-Kreuzstöckl soll ein zweites Mal geweiht warden müssen, weil dort ein Selbstmörder aufgebahrt worden war. Überliefert von Killingseder Maria 2005.

Quelle: Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 2.