DIE EISERNE HAND

I. An der Ecke Weißenwolff-Eisenhandstraße liegt das bekannte, alte Linzer Wirtshaus „Zur eisernen Hand". In seiner Eckstube hängt ein rostiger, verbeulter Eisenhandschuh an der Decke. Er befand sich einst an der nahen steinernen Marksäule, welche die Südostecke des Linzer Burgfriedens oder Stadtgebietes bezeichnete. Auf dieses Wahrzeichen beziehen sich zwei Linzer Sagen:

II. 1. Dort, wo heute der Gasthof „Zur eisernen Hand" steht, lag einst, knapp außerhalb des Linzer Burgfriedens ein adeliger Freisitz. Seine Herrin, ein Edelfräulein, hielt einen riesigen, grimmigen Hund, der so wild wurde, daß sich niemand mehr getraute, ihn zu füttern. Die gute Herrin brachte daher selber ihrem Liebling das Futter. Sie trug allerdings dabei stets an ihrer rechten Hand einen eisernen Handschuh. Aber selbst diesen biß einmal der hungrige Hauswächter fast durch. Zum Wahr- und Warnzeichen ward der eiserne Handschuh ober dem Tor des Schlößchens angebracht. Die Beule des Hundebisses ist deutlich an ihm zu sehen.

III. 2. Im Jahre 1611 war ein Herr Guntram von Gera Besitzer des Schlößchens an der Südostecke des Linzer Burgfriedens. Seine Tochter Esther sollte nach dem Willen des Vaters den alten Achatz Willinger, Herr von Au und Hinterdobl, die Hand zum Ehebunde reichen. Sie liebte aber insgeheim den jungen Alfred von der Oedt zu Götzendorf. Er hatte Esther kennengelernt, als sie ihm 1606 bei einem zu Ehren des Kaisers Mathias veranstalteten Ringelstechen den Dank reichte. Durch den leidigen Bruderzwist im Hause Habsburg waren aber die beiden Liebenden geschieden, denn Guntram und Achatz waren Anhänger Rudolfs, Alfred aber ein Parteigänger des Mathias.

In der Silvesternacht 1611 überraschte nun der Vater in Begleitung seines Freundes Achatz die Liebenden im eigenen Hause. Alfred hatte sich in aller Form durch Ring und Wort mit Esther verlobt und wollte eben beim Vater um deren Hand anhalten. Wütend über das Durchkreuzen seiner Pläne ließ Guntram den unerwünschten Freier und verhaßten Gegner in Fesseln schlagen und ins Lager des Passauer Kriegsvolkes schleppen. Dort sollte ihm zuerst die Hand und dann der Kopf abgehauen werden. Der Hieb des Freimanns durchschlug indes den Eisenhandschuh nicht, sondern hinterließ nur eine tiefe Kerbe. Durch den im letzten Augenblick herzueilenden Alfred wurde offenbar, daß Esther, ohne sein Wissen, in seine Rüstung geschlüpft war, um sich für den Geliebten zu opfern. Nun endlich ließ sich das Vaterherz erweichen. Aber Achatz Willinger forderte schriftlich sein Recht auf die ihm durch den Vater zugesicherte Hand. Da ließ dieser den zerbeulten Eisenhandschuh, der seiner Tochter Hand und Leben gerettet hatte, an die Pforte seines Freisitzes nageln und erwiderte dem Herrn von Au und Hinterdobl nur: „Komm und hole sie!"


Quelle I: Linzer Regesten, Magistrat, Linz. BIA 7, 7754
Quelle II: Depiny Adalbert, Oberösterreichisches Sagenbuch. Linz, 1932. S. 437, Nr. 468
Pillwein Benedikt, Einiges aus dem Gebiete der Sagen in und um Linz. Ridlers Archiv, Wien, 1837, 32, S. 128.
Quelle III: Volksblatt, Österreichisches, für Verstand, Herz und gute Laune. Linz, 1848. Nr. 205 - 207

aus: Hans Commenda, Sagen in und um Linz, in: Oberösterreichische Heimatblätter, Jahrgang 21, 1967, Heft 3/4, S. 27 - 74.