DIE FISCHE IM PLÖCKENSTEINER SEE
I.
Da gar viele die Behauptung aufstellten, es gebe in diesem See kein lebendes
Wesen, machten es sich einige zur Aufgabe, dieser Sache auf den Grund
zu kommen. Sie gingen eines Tages zum See, um dort zu fischen. Lange Zeit
war ihre Mühe vergebens, schon wollten sie ablassen, da jauchzte
einer der Fischer auf, an seiner Angel zappelte ein Fisch. Ermutigt fischten
sie weiter, doch ohne Erfolg. Als die Dämmerung eingebrochen war,
machten sich die Verwegenen daran, den großen Fisch zu braten. Das
Wasser brodelte bereits in der Pfanne, da hörten die Männer
ein Gemurmel im Wasser, das immer lauter wurde, und schließlich
vernahm man die Frage: Hont ålle då? Worauf geantwortet wurde:
Ålle hant då, netta da oanaugat Stier geht å! Voll Entsetzen
sahen alle nach der Pfanne, in welcher der Fisch noch immer herumschlug,
und bemerkten, daß er wirklich einäugig war. Klopfenden Herzens
warfen sie ihn wieder in den See, worauf der Lärm verstummte. Beängstigt
eilten sie nach Hause.
II.
Stifter erzählt in "Hochwald", Kapitel Waldsee: Da steht
auch ein Berg, drei Stunden von hier. In der uralten Heidenzeit saßen
auf ihm einmal drei Könige und bestimmten die Grenzen der drei Lande:
Böheim, Bayern und Österreich, - es waren drei Sessel in den
Stein gehauen und jeder saß in seinem eigenen Lande. Sie hatten
vieles Gefolge und man ergötzte sich mit der Jagd. Da geschah es,
daß drei Männer zu dem See gerieten und im Mutwillen versuchten,
Fische zu fangen, und siehe, Forellen, rot um den Mund und gefleckt wie
mit glühenden Funken, drängten sich an ihre Hände, daß
sie deren eine Menge ans Land warfen. Wie es nun Zwielicht wurde, machten
sie Feuer, taten die Fische in zwei Pfannen mit Wasser und stellten sie
über. Und wie die Männer so herumlagen, und wie der Mond aufgegangen
war und eine schöne Nacht entstand, so wurde das Wasser in den Pfannen
heißer und heißer und brodelte und siedete und die Fische
wurden darinnen nicht tot, sondern lustiger und lustiger - und auf einmal
entstand ein Sausen und Brausen in den Bäumen, daß sie meinten,
der Wald falle zusammen, und der See rauschte, als wäre Wind auf
ihm, und doch rührte sich kein Zweig und keine Welle und am Himmel
stand keine Wolke, und unter dem See ging's wie murmelnde Stimmen: Es
sind nicht alle zu Hause - zu Hause . . . Da kam den Männern eine
Furcht an und sie warfen die Fische alle ins Wasser. Im Augenblick war
Stille und der Mond stand recht schön am Himmel. Sie aber blieben
die ganze Nacht auf einem Steine sitzen und sprachen nichts, denn sie
fürchteten sich sehr, und als es Tag geworden, gingen sie eilig von
dannen und berichteten alles den Königen, die sofort abzogen und
den Wald verwünschten, daß er eine Einöde bleibe auf ewige
Zeiten.
Anmerkung:
Hant: sind;
Quelle: I: Fr. Edmund Ruzersdorfer Sagen aus Klaffer
und Umgebung in Oberösterreich: Zeitschrift für österreichische
Volkskunde 8, 1902, 13. II: Ruzersdorfer: Ebd. 8, 1902, 13f. = Stifters
Erzählungen, Ausgb. v. v. Grolmann 55 f.
Aus: Will-Erich Peuckert, Ostalpensagen, Berlin 1963, Nr. 229, Seite 124