Die Melessin


(Melusine.)

Wenn des Nachts der Herbststurm in den Bäumen rauscht und an den Fenstern vorüberheult, so sagten die alten Leute:

Jetzt weint die Melessin. In schwarzen Gewändern und mit flatternden Haaren fliegt sie herum und weint über ihr verfluchtes Schicksal. Sie ist nämlich von den Frauen, die sie wegen ihres Kinderreichthumes freventlich gehöhnt hatte, während sie selbst kinderlos blieb, in den Sturm verwunschen worden.

„Wenn die Melessin weinte“, so öffnete man ehemals die Fenster, um Weihwasser zu sprengen und zu beten; auch Teller mit Salz, Brot und Asche stellte man ins Fenster, um die Melessin zu besänftigen.

Quelle: Hinterstoder mit dem Stoderthale, Kleine Orientierungs – Darreichung von A. N. Gerhofer, Selbstverlag, Linz, Druck von S. Tagwerkers Witwe, [um 1891]
Zusendung von Norbert Steinwendner, am 5. Juni 2008