Maria im Ameisenhaufen

In einem anmutigen Tale am Oberlauf des Sulzbaches liegt der weit und breit bekannte Wallfahrtsort Adlwang, genannt das oberösterreichische Maria Zell. Ins achte Jahrhundert fällt vermutlich die Gründung Adlwangs, nach dem Bayernherzog Odilo Odilowang genannt, aus dem im Laufe der Zeit Adlwang wurde. Das neu gerodete Gelände mitten im Wald mag den eingewanderten Ansiedlern wie ein Garten vorgekommen sein.

Abt Alram I. von Kremschünster erbaute eine kleine Kirche, die sein Freund, der Erzbischof Tiemo von Salzburg, im Jahre 1095 der Hl. Maria weihte. Die Überlieferung berichtet, daß die in Adlwang so viel verehrte Statue der schmerzhaften Muttergottes von Tiemo herrührte, die er damals der Kirche gewidmet hat. Dieses Vesperbild ist eine durch Steinguß hergestellte Statue, welche Kunst der genannte Erzbischof gekonnt und ausgeübt haben soll.

Die Kirche von Adlwang war zuerst eine Filiale von Pfarrkirchen, von 1300 an eine Filiale von Waldneukirchen und von 1784 eigene Pfarrkirche. Im 15. Jahrhundert wurde eine größere Kirche in gotischem Stile nach dem Muster der Stadtpfarrkirche in Steyr erbaut. Die Pieta, dieses schöne Kunstwerk, prangte als Schmuckstück auf dem Hauptaltar der Kirche, die alljährlich von Tausenden von Pilgern und Wallfahrern besucht wurde.
In der Zeit des Protestantismus wurden auch die meisten Bewohner der Adlwanger Gegend protestantisch. Im Jahre 1509 traten sie an den Abt Johannes III. Spindler von Kremschünster heran, er solle nicht mehr an Samstagen Gottesdienst halten lassen, sondern an jedem zweiten Sonntag im Monat; denn sie wollten nämlich nicht mehr an dem der Muttergottes geweihten Wochentage zur Kirche gehen. Der Abt aber schlug ihr Ansinnen ab.

Die aufgehetzten Bauern stürmten die Kirche, zertrümmerten alles, was sie in die Hände bekamen, rissen die Gnadenstatue vom Altare und ließen sie am Boden liegen. Es mag sich aber jemand gefunden haben, der die Statue, um sie zu retten, heimlich fortgebracht und sie dann in die Erde vergraben hat. Die Statue blieb verschollen und wurde vergessen.

Erst um das Jahr 1622 wurde der Ort, wo das Bildnis vergraben gewesen, entdeckt. Nächtlicherweise, so erzählt die Legende, zeigten sich Lichter, die einem Schwarzameisenhaufen zueilten. Die Leute gingen diesen nach und fanden die Statue in diesem Ameisenhaufen. Die Ameisen ließen sich auch dann nicht vertreiben, nachdem man die Statue auf ein steinernes Postament gesetzt hatte, sondern führten um sie, ohne die Statue zu berühren, einen Neubau auf. Sie verloren sich erst dann, als das gekrönte Gnadenbild an seiner Stelle auf dem Hochaltar stand. Im Volksmund wurde sie nun "Maria im Ameisenhaufen" genannt.

Quelle: Franz Harrer, Sagen und Legenden von Steyr, mit freundlicher Genehmigung vom © Wilhelm Ennsthaler Verlag, Steyr 1980, S. 140
Emailzusedung von Norbert Steinwendner, am 11. April 2006