Der "heilige Brunnen" in Spitzenburg

Ungefähr zwanzig Minuten von dem alten Kirchdorfe Wolfern entfernt, erhebt sich mitten in einem anmutigen, wasserdurchflossenen Wiesentale ein auffallend geformter, langgestreckter, bewaldeter, spitz zulaufender Hügel, auf dessen flachem Rücken in uralter Zeit nach der Volksüberlieferung die sagenhafte Spitzenburg gestanden haben soll, von der aber die Historie nichts weiß. Keine auf Eselshaut geschriebene Urkunde berichtet von dieser Burg.

Es sollen sich der Sage nach in dem Hügel Hohlräume und unterirdische Gänge befinden; es wird auch vermutet, daß im Innem des mit dem "Burgholz" bestandenen Hügels geheimnisvolle Schätze verborgen sein sollen. Den Namen Spitzenburg trägt heute noch ein Bauemdorf, das ganz in der Nähe, gegenüber dem Burghügel, auf einer flamen Anhöhe liegt. Hier in diesem grünen Tale, im Ursprungsgebiet der Kleinen Ipf, am Fuße eines bewaldeten Abhanges liegt, zuhalb mit Bäumen und Sträumem, zuhalb mit hohen Wiesengräsern und Blumen umsäumt, ein kleiner Weiher mit frischem, glasklarem Wasser, in dem ein Widder eingebaut ist, dessen gleichmäBig dumpfe Taktschläge die tiefe Ruhe, die in dem Tale herrscht, keineswegs stören; dieses ununterbrochene und gleichmäBig tönende Kunstwerk treibt unterirdisch das Wasser in Röhren den ziemlich hohen Waldhang hinauf und versorgt einige Bauernhäuser in Spitzenburg mit ausgezeichnet gutem Trinkwasser.

Diesen Weiher mit dem aus dem Berghang quellenden Wasser nennen die Leute den "Heiligen Brunnen". In diesem Brunnen ist vor langer Zeit, so weiß die Sage zu berichten, eine türmleingeschmückte Kapelle versunken; eine andere erzählt, es sei ein Kirchlein gewesen. Zuweilen kann zu Mittag oder des Abends bei Sonnenuntergang die Spitze des Türmleins im klaren Wasser gesehen und das liebliche Tönen des Glöckleins gehört werden; man muB aber zur richtigen Zeit kommen. Wann aber diese richtige und genaue Zeit ist, das teilt uns die Sage nicht mit.

Der "Heilige Brunnen" steht bei den Leuten wegen seines heilkräftigen Wassers, besonders für die Augen, in hohem Ansehen.

Quelle: Franz Harrer, Sagen und Legenden von Steyr, mit freundlicher Genehmigung vom © Wilhelm Ennsthaler Verlag, Steyr 1980, S. 184
Emailzusedung von Norbert Steinwendner, am 11. April 2006