Der Feuerbaum

Im Volke lebt der Glaube, daß ein Baum, in den einmal bei einem Gewitter der Blitz gefahren ist, ohne ihn zu zersplittern, ein "Feuerbaum" ist. Wird ein solcher Baum gefällt und zum Bau eines· Hauses verwendet, so fängt nach einer Reihe von Jahren, die aber niemand vorher bestimmen kann, das Haus von selbst zu brennen an. Einen Feuerbaum, so heißt es, erkennen die Zimmerleute am besten dadurch, wenn beim Behacken eines Baumes Funken hervorspritzen. Es ist dann unbedingt und zuverlässig ein "Feuerbaum", in den einstmals ein Blitz eingeschlagen hat. Die Zimmerleute können solche Bäume ausscheiden, aber nicht mehr als drei; ist unter dem Bauholz ein vierter, so lockt auch die Zimmerhacke keinen Funken mehr heraus und es ist dem Hause einmal bestimmt, einen Feuerbrand zu haben.

Nicht jedes Haus hat einen Feuerbaum, das Haus, das einen solchen hat, muß einmal zu seiner Zeit abbrennen. Am besten. ist es, so lautet ein guter Rat, man verschenkt den ganzen Baum, in den einmal der Blitz eingeschlagen hat; denn wenn der Eigentümer auch nur den geringsten Teil eines solchen Baumes in das Haus bringt, so schlägt der Blitz in dieses Stück Holz ein und das Haus brennt ab. Einem anderen aber bringt der geschenkte Baum, so ist die Meinung, keinen Schaden.

So ist einmal, wie die Sage erzählt, vor langer Zeit in Kremsmünster ein Haus abgebrannt. Der Besitzer des Hauses und auch andere Leute vermochten der Ursache des Brandes nicht auf die Spur zu kommen, da keinesfalls Brandlegung angenommen werden konnte. Die einen meinten, das "Holz habe ausgedient" und von selbst zu brennen angefangen. Man kam aber dann zu dem Ergebnis, das Haus habe einen "Feuerbaum" gehabt und seine Zeit sei eben aus gewesen.

Von den Zigeunern sagt man, daß sie ein Haus "feuersicher" machen können. In dem hölzernen Stadel eines Bauernhauses in der Umgebung von Kremschünster, so erzählt die Sage, waren einige Zeit Zigeuner geblieben, hatten darin Feuer gebrannt und darauf ihre Speisen gekocht. Als sie abzogen, sagten sie zu den Bauern:

"Solange nur eine Säule von diesem hölzernen Stadel steht, wird dein Haus nicht abbrennen!"

Quelle: Franz Harrer, Sagen und Legenden von Steyr, mit freundlicher Genehmigung vom © Wilhelm Ennsthaler Verlag, Steyr 1980, S. 162
Emailzusedung von Norbert Steinwendner, am 11. April 2006