Am Fletzerweg

Über jene sonnige Ebene, auf welcher ein Teil der weitverstreuten Ortschaft Winkling liegt, läuft der sogenannte "Fletzerweg" (Flößerweg). An diesem Weg liegen, teils einzeln, teils in Gruppen, die Bauernhäuser Krapfer, Brojer, Holzbauer, Angerlbauer, Brandner, Lichtenschein und andere. Am Fletzerweg stehen auch, einige Minuten voneinander entfernt, drei Kreuze, zwei steinerne und ein hölzernes. Das rotangestrichene Holzkreuz gehört zum Rotfuchsengut, eines der zwei alten steinernen Kreuze gehört dem Krapfer, das andere dem Brojer.

Das letztere wird "Franzosenkreuz" genannt, weil dort Franzosen begraben liegen sollen. Mehr oder minder denkwürdige Stätten hat das Volk seit jeher mit dem Kreuz, dem Symbol des Christentums gekennzeichnet. Es werden auch die drei alten Kreuze am Fletzerweg irgendwie eine Bedeutung haben.

Unweit von diesen Kreuzen und ein Stück gleichlaufend mit dem Fletzerweg streicht jene Leite hin, die zu der höher liegenden Terrasse, zur sogenannten "Scheiben" hinaufsteigt. Ein Teil dieser Leite, und zwar derjenige, der zum Bauernhause Lichtenschein gehört, führt den bedeutsamen Namen "Galgen in Radleiten" und legt die Vermutung nahe, daß dort oben einst ein Galgen gestanden. - Die Volkscheinung erzählt geheimnisvoll, daß die grüne Ebene einst ein Schlachtfeld gewesen sei, auf dem vor Zeiten eine groBe Schlacht stattgefunden habe.

Der Boden, über den der "Fletzerweg" zieht, mag manches Geheimnis bergen. Der uralte Hügelgräberfriedhof im Holzbauernwald und seiner Umgebung ist ein Teil dieses geheimnisvollen Bodens; hier ruhen Menschen, die vor mehr als zweitausend Jahren in den schönen Gefilden an der Enns gelebt und gewirkt haben.

Quelle: Franz Harrer, Sagen und Legenden von Steyr, mit freundlicher Genehmigung vom © Wilhelm Ennsthaler Verlag, Steyr 1980, S. 200
Emailzusedung von Norbert Steinwendner, am 11. April 2006