Der Goldschatz im Teufelsbach

Unwillkürlich wendet der Fremde, der zum Leitnerberg in Steyr kommt, seinen Blick gegen die waldbewachsene Schlucht, die sich vor ihm auftut und betrachtet verwundert den mächtigen Wasserfall, den der Teufelsbach zur Zeit der Schneeschmelze im Frühling oder zu anderen Zeiten hoch droben uner der Brücke über ein Felsenlabyrinth wildschäumend mit Getöse in die Tiefe sendet. Dieser eigenartige Wasserfall, der in ein breites Becken stürzt, und der Abfluß des Wassers durch den engen grünen Waldgraben bietet dem Beschauer ein großartiges Naturschauspiel dar.

Hoch oben steht das türmleingeschmückte, mauerumfangene und anmutige Schlößchen Engelseck, das einst Teufelseck hieß, weil man ihm, gleich dem Bache, den Namen des Teufels gegeben hat. Dem damaligen Besitzer Josef Achtmark von Achtmarkstein, Bürgermeister von Steyr, gefiel der Name des Schlößchens nicht; er suchte 1642 bei Kaiser Ferdinand III. um Änderung des Namens in Engelseck an, was ihm laut Urkunde auch gestattet wurde.

An dem zu verschiedenen Zeiten so wilden Teufelsbach, dem der Name bis heute geblieben ist, knüpft sich, wie die Sage zu· erzählen weiß, folgende tragische Begebenheit: Als der kleingewachsene, aber geniale kriegerische Unruhestifter Napoleon Bonaparte 1809 mit seiner Armee in Österreich einfiel, kam Marschall Lanner mit einer Schar Franzosen nach Steyr, wo er sich im Gasthof "Zum Schiff" einquartierte. Die Franzosen strolchten in der Umgebung herum, raubten und plünderten, wo es etwas zu rauben und zu plündern gab.
So kam eine große Anzahl von Franzosen in der Gegend um Christkindl in ein Bauernhaus, das sie ausplünderten. Als sie abzogen, blieb einer zurück, der noch habgieriger war als die anderen und von dem alten Bauern, der alleine zu Hause war, noch etwas zu erpressen hoffte und Geld verlangte. Er setzte dem Bauern das Gewehr an die Brust und sagte drohend in gebrochenem Deutsch:

"Ik schießen!" Der Bauer in seiner Angst, der Kerl werde wirklich schießen, wenn er ihm das Verlangte nicht gäbe, zog aus dem Backofen einen Beutel, angefüllt mit Dukaten und gab ihm diesen. Der Soldat machte den Beutel auf und sah hinein; mit freudestrahlendem Gesicht band er den Beutel zu, steckte ihn ein und entfernte sich in Richtung des Teufelsbach-Wasserfalles.

Nach einer Weile kamen die zwei Söhne des Bauern, die auf dem Felde gearbeitet hatten, nach Hause und der Vater erzählte ihnen, was inzwischen vorgefallen war. "Dem müssen wir nach", riefen sie "und ihm den Beutel abnehmen; Vater, kommt, ihr kennt ihn!" Jeder der beiden holte sich aus der Werkzeugkammer eine Axt, sie verließen das Haus und eilten dem Soldaten nach, den sie bald erspäht hatten und ihm nachzukommen trachteten.
Dort, wo zwischen zwei hohen Bäumen, an dem Gemäuer des Schlosses Engelseck, die steinerne Figur des hl. Nepomuk stand, holten die drei den Soldaten ein. Unter der Brücke stürzte der Wasserfall in die tiefe, dämmerige Waldschlucht. Sofort fielen sie wütend über den Franzosen her und es begann ein fürchterliches Ringen. Der Soldat wehrte sich zwar verzweifelt, doch die zwei kräftigen Burschen warfen ihn zu Boden und hielten ihn fest. Der Bauer begann in der Uniform des Soldaten den Goldbeutel zu suchen. "Ich hab' ihn schon!" rief der Bauer und hielt den Beutel hoch.

Als der Franzose sah, daß sein teurer Raub verloren war, warf er mit Riesenstärke die zwei Burschen von sich ab, entriß dem Bauern den Beutel und warf diesen in weitem Bogen in die Wasserschlucht. Einen Augenblick standen die drei Bauern wie erstarrt da und schauten in die Schlucht. Diesen Augenblick benutzte der Franzose und griff nach dem Gewehr, das ihm im Kampf mit den Bauern entfallen war. Doch diese drehten sich blitzschnell um, und von Rachlust ergriffen, schlugen sie voll Wut mit den Hacken auf ihn los, daß er blutüberströmt tot zur Erde fiel.

Nun rannten sie hinunter in die Wasserschlucht, wo das Wasser entlang dem Waldgraben in die Steyr fließt. Sie suchten das Wasser nach dem Beutel mit den Goldstücken eifrig ab, doch sie fanden ihn nicht. Der Teufelsbach gab den Goldschatz nicht wieder heraus.

Diese Bluttat kam dem Kommando der Franzosen zu Ohren, die drei Bauern wurden verhaftet, vor ein Kriegsgericht gestellt, zum Tode verurteilt und in der Burg zu Steyr kurzerhand erschossen. Der Goldschatz im Teufelsbach ist bis heute nicht gefunden worden. Wer die blinkenden Golddukaten haben will, mag sie in dem Wassergraben suchen und sie, wenn der Wassergeist, der dort der Sage nach sein Wesen treiben soll, ihm günstig gesinnt ist, auffinden.

Quelle: Franz Harrer, Sagen und Legenden von Steyr, mit freundlicher Genehmigung vom © Wilhelm Ennsthaler Verlag, Steyr 1980, S. 32ff
Emailzusendung von Norbert Steinwendner, am 11. April 2006