Der heilige Brunnen in Adlwang

Unterhalb der Kirche in Maria Adlwang, in der wasserdurchflossenen Talmulde, am Fuße des grünen Abhanges, steht eine schöne Rundkapelle mit dem Kreuz auf rotem Kuppeldach. Es ist die Kapelle des "Heiligen Brunnen". Eine Stiege mit vierzig steinernen Stufen führt auf dem steilen Abhang hinunter zur Kapelle, an deren Stirnseite der Spruch steht: "Gnadenkapelle, sei gegrüßt!"

In der Mitte des großen, niederen Wasserbassins, das die innere Grundfläche der nicht kleinen Kapelle fast ganz ausfüllt, ragt aus dem Wasser ein steinerner Sockel, auf dem die lebensgroße, gekrönte, kunstvolle Madonna in sitzender Stellung ruht; sie schaut mit traurigen Augen auf Jesus, der auf ihrem Schoße liegt. Aus dem Sockel ragt ein kurzes Stahlrohr, aus dem frisches Wasser sprudelt und durch ein ebenerdiges Eisengitter in das Bassin plätschert. Ein Krüglein zum Gebrauch für die Wallfahrer steht auf dem Gitter.

Vor urlanger Zeit, so erzählt die Sage, sah man zu gewissen Zeiten des Nachts bei der im Talgrunde frei ausfließenden Quelle eine mit hellem Glanz umgebene strahlend schöne königliche Jungfrau hoheitsvoll wandeln, die eine mit Diamanten besetzte, funkelnde Krone auf dem Haupte trug. Man hielt sie für Unsere Liebe Frau. Die Quelle wurde gefaßt und die Leute kamen im Vertrauen auf die Mutter Gottes herbei, um bei diesem Wasser Heilung ihrer Augenleiden und anderen Gebrechen zu finden. Da hat man dann auf dem freien Platz oberhalb der Quelle, die man den "Heiligen Brunnen" nennt, die Kirche Maria Adlwang erbaut. Wie eine andere Sage erzählt, stand eine Statue der Hl. Maria unter einer mächtigen Linde bei der vielbesuchten Heilquelle unterhalb der Kirche. Als der Baum wegen seines hohen Alters einging oder von einem Gewittersturm umgeworfen wurde, brachte man die Statue nach Pfarrkirchen bei Bad Hall, die ja die Mutterkirche der Kirche Adlwangs war. Die Statue kehrte aber nachts an die Quelle zurück. Als dies dreimal geschah, sah man darin das Walten eines höheren Willens und baute an der Stelle eine Kapelle, die noch heute von Wallfahrern viel besucht wird.

Quelle: Franz Harrer, Sagen und Legenden von Steyr, mit freundlicher Genehmigung vom © Wilhelm Ennsthaler Verlag, Steyr 1980, S. 139
Emailzusedung von Norbert Steinwendner, am 11. April 2006