Der Heilbrunnen auf dem Julianaberg

Auf einem mäßig hohen grünen Berge in der Nähe des uralten Marktes Neuhofen, am linken Ufer der Krems, stand einst die von den Leuten vielbesuchte Julianakirche, die eine Filialkirche von Neuhofen war. Unter Kaiser Josef II. wurde die Kirche im Jahre 1786 aus dem Grunde aufgehoben und gesperrt, "weil sie nahe bei Neuhofen liegt und", wie es so schön heißt, "nur Anlaß gibt, daß sich das Volk durch Besuchung derselben von den in der Pfarrkirche abzuhaltenden Andachten absondere und einen Deckmantel zu verschiedenen Zusammenkünften habe". Es wird in dem Auflösungsdekret nicht gesagt, welcher Art die Zusammenkünfte waren.

Der Bauer Ignaz Strauß, Besitzer des "Bauerngutes am Berg" kaufte die Kirche um 300 Gulden. Sie wurde im Jahre 1789 über Auftrag des Dekanates Enns entweiht und dann abgebrochen. An der Stelle der abgebrochenen Kirche wurde später zur Erinnerung an die alte Julianakirche eine Kapelle erbaut. Sie gehört zum Besitz des "Bauern am Berg".

In der Nähe der Kapelle lag vor Jahren noch ein kleiner mit Gebüsch und Bäumen umsäumter Weiher, dessen Wasser vom Volke Heilkraft für Augen zugeschrieben wurde. In der Mitte des Weihers stand auf einer aus dem Wasser aufragenden Säule die hölzerne Statue der Hl. Juliana, die jedenfalls seinerzeit in der Julianakirche ihren Platz gehabt hat.

Vor Zeiten soll, wie es heißt, das Wasser dieses Weihers den Blinden heilbringend gewesen sein. Wie die Sage erzählt, brachte einst ein Bauer sein blindes Pferd zum heilbringenden Wasser auf dem Julianaberg, weil er sich dachte, wenn das Wasser den Menschen hilft, warum soll es nicht auch meinem Pferde helfen. Er wusch dem Pferde mit Sorgfalt die Augen und es wurde gesund. Der Bauer aber, der so vermessentlich dachte und handelte, wurde blind und das Wasser, so heißt es, verlor seine Heilkraft. Eine andere Sage erzählt, daß das für blinde Augen heilbringende Wasser versiegte, als einmal ein Bauer sein blindes Pferd zur heilenden Wasserquelle brachte und des Pferdes Augen durch Waschen heilen wollte. - Heute besteht leider der von Leuten so gern besuchte idyllische Weiher nicht mehr; er ist im Laufe der Zeit zugeschüttet und eingeebnet worden.

Wie grausam und lieblos das gerichtliche Verfahren in alter Zeit war und wie mit armen Verunglückten umgegangen wurde, darüber berichtet eine alte Überlieferung. Im Jahre 1664 ertrank die alte Weißin in der Julianalacke. Sie wurde über Auftrag des hochnotpeinlichen Gerichtes vom Scharfrichter "vertilgt", das heißt, sie wurde auf einen Karren geworfen und am Schindanger verscharrt.

Das alte Weiblein wird sicher das ihrer Meinung nach heilsame Wasser auf dem Julianaberge, welches das Gericht verächtlich eine "Lacke" nennt, wegen eines Augenübels aufgesucht haben und beim Waschen der Augen ins Wasser gestürzt und ertrunken sein.

Quelle: Franz Harrer, Sagen und Legenden von Steyr, mit freundlicher Genehmigung vom © Wilhelm Ennsthaler Verlag, Steyr 1980, S. 171
Emailzusedung von Norbert Steinwendner, am 11. April 2006