Die Laurenzi-Kapelle

Auf dem Nordabhang des 811 Meter hohen Damberges, hoch droben am Waldesrand und weithin sichtbar, liegt malerisch die große türmleingeschmücckte Laurenzikapelle. Die Chronik meldet:

Die Kapelle wurde 1864 von Herrn Willner, Hammerschmied in Steyrdorf, da sie hölzern und baufällig gewesen war, infolge eines Gelübdes als gemauerte Kapelle errichtet und im Jahre 1809 wurde von der Gemeinde St. Ulrich ein kleiner Turm auf die Kapelle gesetzt. Alljährlich am Laurentiustag, dem 10. August, geht von dem eine Stunde entfernten Pfarrdorf St. Ulrich eine Prozession das steile, steinige Sträßlein zur hochgelegenen Kapelle hinauf, wo Gottesdienst gehalten wird.

Im Widerspruch zur Historie wissen mehrere Sagen anders von der Gründung dieser Kapelle auf den lichten Höhen, die manchem Wanderer im nördlichen hügeligen Vorlande Ziel- und Wegweiser ist, zu erzählen. Oder beziehen sich diese Sagen auf die Gründung der vorher bestandenen hölzernen Kapelle?

Eine dieser Sagen erzählt: Einst lebte in Steyr ein Messerschmied, dessen einzige Leidenschaft das Wildem war. Am häufigsten durchstreifte er die dicht bewaldeten Hänge und den damals nicht minder stark bewaldeten Rücken des Damberges, und manchen mächtigen Hirsch brachte seine nie fehlende Kugel zur Strecke. Eines Nachts oblag er wieder mit Eifer dem verbotenen Handwerk, als ihm plötzlich mitten im finsteren Walde ein Jäger mit einer langen roten Hahnenfeder am Hute, entgegentrat, der ihn mit näselnder Stimme fragte, was er da mache. Der unheimliche Jäger war der Teufel. Der sonst furchtlose Messerschmied, dem das Grausen anging, floh durch den Wald, konnte aber nirgends einen Ausgang finden. In seiner Not gelobte er, dort eine Kapelle zu errichten, wo er aus dem Walde käme. Bald darauf fand er den Ausgang und gelangte auf eine große Wiese, auf der er abwärts strebte. Seinem Versprechen getreu ließ er an der Stelle, wo er den Ausgang aus dem Walde gefunden, die Laurenzikapelle erbauen.

Eine andere Sage ist freundlicher, sie erzählt: Vor vielen Jahren lag in Christkindl lange Zeit ein Mann krank zu Bett und hatte keine Hoffnung mehr, jemals wieder gesund zu werden. Des Nachts konnte er keinen Schlaf finden, sosehr er ihn auch herbeisehnte. Wie er so dalag, schlaflos, ließ er seine Blicke durch das Fenster schweifen, hinaus in die nächtliche Landschaft.

Auf der Höhe des Damberges sah er allnächtlich ein Lichtlein flimmern, das seine Seele wunderbar beruhigte. Er gelobte, wenn er noch einmal gesund werden sollte, dort, wo das liebe Lichtlein leuchtete, eine Kapelle zu erbauen. Der Mann wurde richtig wieder gesund und führte das Versprechen aus. Nun aber wußte er nicht, welchem Heiligen er die Kapelle weihen sollte. Daher entschloß er sich, die Heiligenlegende aufzuschlagen und die Kapelle jenem Heiligen zu weihen, dessen Bild und Besdtreibung ihm zuerst vor die Augen käme. Dies war der Hl. Laurentius, dem die Kapelle auch dann geweiht wurde.

Es ist schon lange her, so berichtet die dritte Sage, da stieg eines Tages ein Steyrer Bürger mit seinem Hunde den Damberg hinan. Droben ging er in die Laurentius-Kapelle, die damals noch aus Holz gebaut war. Den Hund hatte er mit einer Leine an die offengelassene Tür gebunden.

Plötzlich kam ein mächtiger Eber (Wildsau) aus dem Walde gelaufen. Durch den Anblick des angriffslustigen Ebers erschreckt, rannte der Hund, Schutz suchend, zu seinem Herrn in die Kapelle hinein und zog hinter sich mit der Leine die Tür zu, die ins Schloß fiel. Auf diese Weise wurden Herr und Hund gerettet. Der Eber aber ist wieder in den Wald gelaufen.

Weitverbreitet ist auch die Meinung, daß am Laurentiustage, dem Todestag dieses Heiligen, Kohlen zu finden wären, wenn man, gleichviel wo, in der Erde nachgrübe; das müßte aber in der Zeit von 11 bis 12 Uhr mittags geschehen. Wer auch nur ein Kohlenbröcklein findet, dem bedeutet dies Glück und ist ihm eine gute Vorbedeutung für alle seine Unternehmungen.

Quelle: Franz Harrer, Sagen und Legenden von Steyr, mit freundlicher Genehmigung vom © Wilhelm Ennsthaler Verlag, Steyr 1980, S. 43f
Emailzusendung von Norbert Steinwendner, am 11. April 2006