Die Hexe in der Loahmbichler-Woad

Der schon vor vielen Jahren im Alter von über 86 Jahren verstorbene Grössinger, Bauer auf der "Platten" (Plattenberg in der Gemeinde Laussa) erzählte oft gerne von jener fernen Zeit, da er noch ein kleiner Bub gewesen. So wußte er noch zu erzählen, daß zu seinem Vater oft ein Nachbar zu Besuch gekommen ist, der ein äußerst verwegener Wildschütz war und sich vor nichts fürchtete. Einmal aber hat er doch eine Begegnung gehabt, die ihn bald das Fürchten gelehrt hätte.

Eines Nachts wilderte er wieder einmal im waldigen Revier des Plattenberges ; er hatte Glück und brachte einen schönen Rehbock zur Strecke. Es war schon nahe gegen Mitternacht, als er mit seiner Beute heimwärts ging, wozu er den Weg durch die Loahmbichler­Woad einschlug, der nächst dem gespenstisch aufragenden Sausteinfelsen durch das bergige Gelände zieht.

Eben wollte er durch das G'hagtürl gehen, als eine bekannte, in der Gegend als Hexe verschrieene Bäurin, die wirr herabhängenden Haare notdürftig mit einem Kopftüchel bedeckt, auf einem Stock gestützt, langsam vorüberhinkte.

Der Wildschütz, der die Bäuerin gut kannte, war verwundert, sie um Mitternacht hier anzutreffen. Als er sie anreden wollte, zerfloß die geheimnisvolle Erscheinung wie ein Nebel und er sah keine Spur mehr von ihr.
Da ging dem Wildschützen doch ein wenig die "Schiach" an und er beeilte sich, mit dem Rehbock auf dem Rücken seine Behausung zu erreichen. Am darauffolgenden Morgen kam der Sohn der Bäuerin in das Haus des Wildschützen und bat, es möge jemand seine Mutter anziehen helfen, denn sie sei um Mitternacht gestorben.

Quelle: Franz Harrer, Sagen und Legenden von Steyr, mit freundlicher Genehmigung vom © Wilhelm Ennsthaler Verlag, Steyr 1980, S. 114
Emailzusedung von Norbert Steinwendner, am 11. April 2006